Damit dieses Liebesideal eheliche Realität werden kann, sind Voraussetzungen vonnöten, von denen einige in unserer Epoche vielleicht geschichtlich erstmals gegeben und andere noch im Entstehen begriffen sind. Eine solche Ehe muß aus der freien Willensentscheidung der beiden Individuen entstehen und von der Gesellschaft gefördert werden. Sie darf nicht von Konventionen aufgezwungen werden, sie darf nicht von Eigeninteressen der Eltern oder Clans beherrscht oder aus kleinlichen nationalen, rassischen oder religiösen Vorbehalten heraus verboten werden.
Die Tradition abendländischer Eheschließung hat solche Grundsätze nicht gekannt. Dynastische, finanzielle, "äußerliche" Motivationen herrschten jahrhundertelang vor. Ganzen gesellschaftlichen Gruppen war eine Eheschließung weitgehend verwehrt. Soziale Barrieren verhinderten viele Beziehungen, die Rechte und Würde unzähliger Frauen, aber auch von Männern aus den "Unterschichten" wurden in den Staub getreten.
In einer verständlichen Gegenreaktion wurde ein romantisches Ideal von der Liebe auf den ersten Blick ersonnen, aber auch dieses an der Allmacht der Emotionen aufgehängte Ehebild hat nicht der wahren Liebe zum Durchbruch verhelfen können. Aus Emotionen wurden Enttäuschungen, aus romantischer Liebe wurden Scheidungskriege. Starke Gefühle reichen offensichtlich nicht hin, um in der "Kunst des Lieben" Meisterschaft zu erlangen. Auch der Verstand, der gegenseitige Interessenabwägung ermöglicht, der Wille zum Guten und ein ethischer Konsens müssen die Beziehung tragen und in ihr schwingen.
Die romantischen Erwartungen haben sich in allzu vielen Fällen als überzogen und unerfüllbar erwiesen. Dies muß zu einem großen Teil darauf zurückgeführt werden, daß die in solchen Ehen verbundenen Individuen in der eigenen Vergangenheit große Liebesdefizite erlitten oder in unseligen Beziehungsmustern gefangen waren, geprägt durch Konflikte in ihrer Ursprungsfamilie. Aus diesem Umstand erschließt sich eine weitere Notwendigkeit: wahre Liebe muß erlernt werden, wahre Liebe braucht Vorbilder; keine wahren Kinder ohne wahre Eltern.
In diesem Zusammenhang muß es zu denken geben, daß die meisten unserer historischen Heroen und Rollenmodelle - von Karl dem Großen bis zu Karl Marx, von Paulus bis zu Peter Pan, von Rousseau bis zu den Rolling Stones - sich nicht durch eheliche Beziehungsstärke, sondern durch Individualität und persönliche Leistung auszeichneten.
Gemäß ihrer Zielsetzung hat die Vereinigungskirche sich die Erziehung zur Ehefähigkeit als vorrangige Aufgabe gestellt. Der Katholik Dr. Joseph Fichter, ehemaliger Soziologie-Professor an der amerikanischen Loyola-Universität, hat die Ehekonzepte der Vereinigungskirche so beurteilt: "Man muß ihr systematisches Programm zur Wiederherstellung der Familie anerkennen, die Betonung vorehelicher Reinheit, der Praxis des Gebets während der Eheentscheidung, der Bereitschaft, sich bei der Wahl des Ehepartners anleiten zu lassen, der ehelichen Liebe als Ausdruck der Liebe Gottes und der Weitergabe geistiger Vollkommenheit an die eigenen Kinder." 19 Die Vereinigungskirche steht für eine Theologie und Lebenspraxis, in deren Mittelpunkt die Familie als Baustein des Himmelreichs steht. Diese Familienorientierung wäre nicht denkbar ohne das Gründerpaar der Vereinigungskirche, den Rev. Sun Myung Moon, und seine Ehefrau, Hak Ja Han Moon. Wenn die Menschheit als Folge des Sündenfalls von falschen Eltern geprägt ist, dann braucht sie wahre Eltern. Im Verständnis der Anhänger Rev. und Mrs. Moons erfüllen diese beiden Menschen diese Rolle. 1960 wurden Sun Myung Moon und Hak Ja Han von Gott in der Ehe gesegnet und erhielten dabei die heilige Aufgabe, die wahre Ehe neuzuschöpfen, welche durch den Fall verloren gegangen war. 1992 haben sie in einer Erklärung zum Beginn des Erfüllten Testament Zeitalters dargelegt, daß sie die ihnen von Gott übertragene Aufgabe erfüllt haben und als erste Menschen zu Wahren Eltern geworden sind. 20
Als wahre Eltern öffnen sie für alle Menschen den Weg in den Bereich der Vollkommenheit als Ehepartner. Eine gute Familie gründet auf guten Eltern; eine gute Gesellschaft beginnt mit guten Familien. Da Eltern die Wurzel für familiale Liebe und Leben sind, kann die Heilung einzelner wie die Heilung der globalen Familie ganz einfach nicht vorankommen, solange die Eltern nicht wiederhergestellt sind. Wahre Individualität und eine wahre universelle Familie hängen beide gleichermaßen vom Auftreten universeller wahrer Eltern ab.
Anhänger der Vereinigungslehre sagen mit Überzeugung, daß Rev. und Mrs. Moon vor und von Gott die Qualifikation erworben haben, diesen einzigartigen spirituellen Segen anderen Menschen in ihren persönlichen und ehelichen Idealen anzubieten. Dieser Segen hat für Unifikationisten größten Wert, er ist aber nicht nur für Mitglieder dieser Kirche gedacht, sondern steht allen Menschen offen.
Mitglieder der Vereinigungskirche verstehen die Segnungszeremonie als eine Reinigungshandlung, in der das Erbe der verderblichen Beziehung unserer ersten Vorfahren wiederhergestellt wird. Daher ist für Vereinigungskirchenmitglieder diese eheliche Segnung mehr als eine Heiratszeremonie. Sie ist Akt der Erlösung und ewiges Gelöbnis einander gegenüber und gegenüber Gott als drittem Partner in dieser Ehe. Die Segnung verbindet jedes Paar geistig mit einer neuen Familientradition, einer geistigen Abstammungslinie, die mit wahrer Liebe als Kern an zukünftige Generationen weitergegeben wird.
Durch die Teilnahme an einer Gruppenzeremonie demonstrieren die Mitglieder der Vereinigungskirche, daß wahre Liebe, in der Ehe verwirklicht, der Schlüssel zu einer friedvollen Welt ist. Sie zeigen durch ihr Beispiel, daß die Ehe eine lebendige, heilige Institution ist, in allen Religionen von zentraler Bedeutung. Wahre Liebe übersteigt alle Grenzen der Rasse, Nationalität und Kultur.
In den 90iger Jahren haben auch immer mehr Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften die Segnung empfangen. Sie erkennen darin einen Weg, um ihre eigenen Ehen auf ein neues Fundament zu stellen und sich der historischen Umformung unserer weltweiten Familienstruktur anzuschließen. Jenseits theologischer Streitfragen gibt es einen Konsens zu ethischen Fragen und zur Wichtigkeit der Familie in allen großen Weltreligionen. Dieser Konsens hat das Potential, einem Weltethos denWeg zu ebnen.
Unter den Menschen, die den Ehesegen nach dem Vereinigungsritus anstreben, sind sowohl verheiratete Paare als auch Individuen, die in der Segnung einen optimalen Ausgangspunkt für eine Ehe sehen. Unverheiratete Mitglieder der Vereinigungskirche, die sich zur Segnung anmelden, sind in der Mehrzahl daran interessiert, durch Rev. und Mrs. Moon einen Ehepartner vorgeschlagen zu bekommen.