Dabei hätte die Vereinigungskirche es sich nach
1960 viel einfacher machen können. Mitglieder hatten
erste profitable Unternehmen begründet, die
Traditionen der Kirche festigten sich. Rev. Moon rief
zwischen 1960 und 1968 vier große Feiertage aus, zu
Ehren der Eltern, der Kinder, der Schöpfung und zu
Ehren Gottes, seither in jedem Jahr gefeiert. Die ersten
drei Tage werden nach dem Mondkalender, also als
bewegliche Feste gefeiert, der 1968 ausgerufene Gottestag
ist immer der 1. Januar: der Anfang eines jeden Jahres
soll Gott gehören. Aus Japan meldete der Missionar
San Ik Choi 1962 erste vielversprechende Zuwachszahlen.
In den USA arbeitete das Kirchenmitglied Bo Hi Pak,
hauptberuflich Attaché an der koreanischen
UNO-Botschaft, als erster Missionar an der Ostküste,
während Dr. Young Oon Kim an der Universität
von Oregon in der Westküstenstadt Eugene
untergekommen war. Nicht allzu weit von ihr, in Seattle,
kommt David Kim zum Missionseinsatz.
1965 unternahm Rev. Moon eine erste Missionsreise durch alle Kontinente. In Japan hat das Mitgliederwachstum ein Tempo angenommen, das die großen christlichen Konfessionen nie erreichten. In den USA hatten sich erste Mitglieder gefunden, darunter auch einige an der Westküste lebende Europäer. Sie hatten Rev. Moon nie gesehen, waren aber von den Göttlichen Prinzipien und der Missionarin Dr. Young Oon Kim so begeistert, daß sie sich entschlossen, die Missionsarbeit in Europa aufzunehmen. So gab es einige Dutzend Kirchenmitglieder in den USA und sieben in Deutschland, die Rev. Moon willkommen hießen, als er 1965 die westliche Welt bereiste. Der überaus gedrängte Terminplan umfaßte ein aufreibendes Rundfahrtprogramm, das eigentlich kein "Sightseeing", sondern eine spirituelle Hommage an die besuchten Nationen war. Aber vor allem war die Reise der Weihung von Gebetsstätten - sogenannten Holy Grounds - gewidmet. An 120 Orten in aller Welt vollzog Rev. Moon eine Zeremonie zur Weihung solcher Stätten, die eine spirituelle Verbindung mit seinem Heimatland Korea und der Vision der Vereinigungskirche verkörperten. Auch traf Rev. Moon während dieser Reise mit außergewöhnlichen Persönlichkeiten zusammen; darunter waren medial veranlagten Individuen ebenso wie der ehemalige US-Präsident Eisenhower. Wichtigstes Wachstumsland der Vereinigungskirche außerhalb Koreas war in dieser Phase Japan. Dort wuchs die Vereinigungskirche, obwohl die alte Überheblichkeit der Japaner gegenüber den koreanischen Nachbarn (von denen im Gegenzug manche sagten, ganz Japan sei als Strafkolonie exilierter koreanischer Krimineller bevölkert worden) die Etablierung der Kirche zunächst sehr erschwert hatte. 1967 besuchte Rev. Moon Japan und gab dort Ansprachen vor Mitgliedern der Kirche. Außerdem wurden auf sein Betreiben zwischen 1960 und 1967 ein koreanisches Folkloreballet (Little Angels), eine Schule (Little Angels School), eine Organisation zur ideologischen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus (IFVOC-International Federation for Victory Over Communism), zwei Wirtschaftsunternehmen (Il Hwa Pharmaceutical und Tongil Machine Tools) begründet. In Japan entsteht 1965 die Studentenorganisation CARP (Collegiate Association for the Research of Principles) , die später eine große Rolle als missionarische und auch vorpolitische Bewegung übernimmt. Des weiteren betrieb man eifrig Mission in Dörfern und Städten Koreas. Rev. Moon besuchte die Pioniere, die dort oft mit Verfolgung und Kritik bedacht wurden, und er bemühte sich in zahllosen Predigten und Ansprachen um die Ausbildung und Unterweisung seiner Anhänger. Statt sich unauffällig zu verhalten, taten Rev. Moon und seine Nachfolger vieles, was Aufsehen erregte und Kritik nach sich zog. Die Kirche hielt sich nicht an die christliche Aussage, das Reich Jesu sei nicht von dieser Welt. Im Gegenteil, es war das erklärte Ziel Rev. Moons, das Reich Gottes auf Erden begründen zu helfen. Zwar hatten auch die großen Kirchen sich nie gescheut, wirtschaftliche Macht anzusammeln, aber bei der Vereinigungskirche geschah dies nicht unter der Hand, sondern es war Teil des Programms zur Wiederherstellung der Welt. Dann waren da die Hochzeiten als Zeichen der Vereinigung von Mann und Frau, als Zeichen der Vereinigung der Welt. Daß die heiratswilligen jungen Leute dabei ihren Ehepartner nicht selber aussuchten, war in Korea nicht so ungewöhnlich. Schließlich war es Tradition, daß die Eltern oder professionelle Ehestifter auf Wunsch der Eltern junge Männer und Frauen zusammenbrachten, bei denen die Verhältnisse gleichrangig waren und die nach elterlicher Vorstellung zusammenpassten. Ungewöhnlich war, daß Rev. Moon die Vorschläge machte, ohne sich nach den Wünschen der Eltern zu richten. Anderen, geistige Gesichtspunkte waren für ihn ausschlaggebend, und die (durchaus erwachsenen) Kinder gehorchten Rev. Moon mehr als den eigenen Eltern. Man muß dabei wissen, daß kindlicher Gehorsam (filial piety) in den konfuzianisch geprägten Kulturen bis heute einen Stellenwert hat, der im Westen nicht vorzufinden ist. Der kindliche Gehorsam wird durch keine Altersschwelle aufgehoben. Erst seit weniger als zwei Jahrzehnten verdrängen westliche Vorstellungen teilweise diese überlieferten Konzepte. Womöglich noch größeres Unverständnis ernteten die Mitglieder der Vereinigungskirche in Korea, als sie nach der Eheschließung weitere große Missionsanstrengungen unternahmen, statt sich auf die eigenen Familien zu konzentrieren. Eine Aktion, in der sogar Mütter ihre Kinder bei den Großeltern ließen und 1970 für sechs und mehr Monate in den Missionseinsatz gingen, sorgte im an enge Familienbindungen gewöhnten Korea noch einmal für Furore. Doch diese Aktionen entsprachen dem, was Rev. Moon und seine Frau Hak Ja Han selber praktizierten und sie wurden als historische Notwendigkeit erkannt. Für Rev. Moon waren die sechziger und siebziger Jahre kritische Momente der Weltgeschichte. Seine Analyse der Vorsehungsgeschichte besagte, daß die sich auf das Christentum konzentrierende Auseinandersetzung zwischen Gott und Satan schon im europäischen Mittelalter politische Dimensionen angenommen hatte. Der Konflikt hatte sich in der ideologischen Verneinung Gottes durch Materialismus und Marxismus noch verschärft. So wie im ersten und zweiten Weltkrieg menschliche Selbstsucht, individueller Größenwahn, rassische Überheblichkeit und gottverneinende Ideologen als Kriegsmotoren eine große und unheilvolle Rolle gespielt hatten, sah Rev. Moon für die sechziger und siebziger Jahre die Gefahr eines weiteren Weltkrieges, wenn der ideologische Konflikt nicht mit anderen Mitteln bewältigt werden könne. Die Formulierung einer klaren, transzendent begründeten Kritik am Kommunismus gehörte zu diesen Mitteln ebenso wie das Gebet und der selbstlose Missionseinsatz. |