Der Schlüssel zu Reverend Moons
Persönlichkeit, zu seinen Leistungen und zu seinem
kontroversen Auftreten ist mit Sicherheit im Glauben zu
suchen, in der Gottesbeziehung und totalen Hingabe.
Dieser Charakterkern wurde schon in der Kindheit
ersichtlich. Spätestens mit dem Übertritt
seiner Familie zum Christentum muß in dem Jungen
ein tiefes religiöses Interesse geweckt worden sein.
Schon als 10 oder 12jähriger, sagt Rev. Moon,
"hatte ich den starken Wunsch, ein bedeutsames
Leben, ein Leben großer Dimension zu führen.
Als ich 12 war, begann ich um außerordentliche
Dinge zu beten. Ich betete um Weisheit, größer
als die Salomons, um Glauben, größer als den
des Apostels Paul, und um Liebe, größer als
die Liebe, die Jesus hatte."
Endgültig zum beherrschenden Thema im Leben des jungen Koreaners wurde diese Beziehung am Ostersonntag 1935 infolge einer Jesusvision. Für die nächsten Jahre standen religiöse Studien im Mittelpunkt seines Lebens. Duk Moon Aum, ein koreanischer Studienkollege des jungen Moon in Japan, erzählt aus den Jahren um 1942 über Besuche in dessen Studentenwohnheim: "Wenn ich in sein Zimmer kam, lagen dort Bibeln in japanischer, koreanischer und englischer Sprache auf dem Tisch; viele Stellen waren unterstrichen, und die Ränder waren mit handschriftlichen Bemerkungen übersät." Es ist nicht bekannt, warum oder worum der engagierte Christ und Sonntagsschullehrer am Ostermorgen des 14. April 1935 betet, er erfährt aber eine Berufung, die anzunehmen ihm alles andere als leicht fällt. Jesus eröffnet ihm: "Mein Werk auf Erden ist noch nicht abgeschlossen. Du mußt die Verantwortung für den Erfolg dieses Werkes übernehmen." Sun Myung Moon vernimmt in sich den Aufruf Jesu, mit all seiner Kraft - und auf Grundlage der Erlösungstat Christi - dafür zu arbeiten, daß aus gottfernen, sündenverstrickten Menschen wieder freie Kinder des Allmächtigen werden können. Er zögert, diesem Ruf zu folgen, bezweifelt, daß er die Aufgabe erfüllen könne. Es steht für ihn außer Frage, daß ein solches Versprechen sein ganzes Leben ändern werde und nie gebrochen werden dürfe. Es ist ihm auch klar, daß es eines ist, das Elend der Menschheit intensiv nachzuempfinden, und ein anderes, für die Beendigung dieses Elends Verantwortung zu tragen. Sun Myung Moon entschließt sich endlich, diese Mission auf sich zu nehmen, ändert und ordnet sein ganzes Leben von nun an dem Ziel unter, Gottes Willen zu erfüllen und das Menschheitselend zu beenden. Schöpfungsziel Gottes, wie es sich Reverend Moon in den folgenden Jahren geistiger Studien erschloß, war und ist das "konkrete Himmelreich in der physisch substantiellen Welt" Der Schlüssel zum Himmel auf Erden und der "Zweck der Vorsehung" liegt darin, "auf Erden eine ideale Familie zu begründen, die mit wahrem Leben und wahrer Abstammung verbunden ist". Um diese Zielvorstellung zu verstehn, braucht man ein Grundwissen um Sun Myung Moons Gottesbild. Gott, so der Standpunkt der Vereinigungsprinzipien, ist nicht nur Ursprung des Universums und Inbegriff all seiner Gesetze, nicht nur personaler und persönlicher Gott. Als Gott der Liebe ist Gott abhängig von der Beziehung zum Universum und insbesondere zum Menschen. Gottes leidendes Herz zu trösten und zu heilen, wurde Sun Myung Moon daher wichtiger als das eigene Schicksal. In diesem Kontext ist der Wille Gottes weit mehr als das Kommando eines himmlischen Oberbefehlshabers, er ist ein Gebet des Schöpfers, die Suche nach Menschen, die Sein Herz befreien. Seine in diesem Verstehen begründete Motivation faßte Sun Myung Moon in seiner Schilderung der Gebete während seines dritten und schlimmsten Hafterlebnisses am packendsten zusammen: "Ich betete niemals aus Schwäche oder weil ich mich beklagen wollte. Ich erbat nicht einmal Gottes Hilfe. Stattdessen versuchte ich stets, Ihn zu trösten, indem ich sagte, er solle sich nicht um mich sorgen. Da Gott mein Leiden bereits kannte, wollte ich Ihn nicht daran erinnern und ihm noch größeren Kummer verursachen. Ich versicherte Ihm einfach, ich würde niemals unterliegen." "Andere Religionen und Theologien schätzen das Andachtsleben, die Herzensliebe, das Gefühl letzter Abhängigkeit, geistige Ekstase, freudvolle Gottesliebe, begeistertes Zeugnis und mitfühlende Identifizierung mit Gottes Leiden hoch ein womit Mitglieder der Vereinigungskirche vollkommen übereinstimmen. Doch Reverend Sun Myung Moon geht viel tiefer. In seinem tiefen geistigen Forschen entdeckte er das abgründige han (kor.: uralt verborgener Kummer, ungelöster Schmerz und zurückgehaltene Empörung) des Himmlichen Vaters und die Ursachen davon. Er beschloß, diese Ursachen zu beheben, Gottes han, die kosmische Tragödie zu entwirren und zu heilen. Dies sollte zu seiner Lebensaufgabe werden." |
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In seiner Herzenseinstellung verbinden sich bei Sun
Myung Moon die intensive christliche Bindung an den
personalen Gott mit der kindlichen Ehrerbietung der
konfuzianischen Tradition. Die Familienethik des Meisters
Kung macht es zum Lebensgrundsatz, daß ein von
seinen Eltern geliebtes Kind alles tun wird, um den
Eltern Sorgen und Kummer zu ersparen. Wie kann ich als
Kinde des allliebenden, allwissenden Gottes meinen,
dieser Elterngott wisse nicht um jeden Schmerz, der mir
widerfährt? Im Gegenteil, das menschliche Elend
schafft Gott unmenschliches Leid. Als verantwortliches
Kind werde ich um keinen Preis dieses Leid
vergrößern wollen, sondern trachten, es zu
lindern. Die immensen Tränen, die Sun Myung Moon
laut Berichten in langen Nächten des Gebets
vergoß, waren Tränen um das gottferne Leiden
des Menschen und um die Einsamkeit des mitleidenden
Gottes. Hier kommt nicht die abendländische
Theodizee mit der Frage, warum Er dieses Leiden zulasse,
zum Zuge. Hier spricht das asiatische
Beziehungsverständnis, das in der Familie wurzelt
und die gegenseitige Aufeinanderangewiesenheit von Eltern
und Kind, von Gott und Mensch betont. Es verschmilzt mit
der christlichen Lehre zur neuen Sicht. Wo Gott personal
wird, ist er nicht mehr unnahbar wie der konfuzianische
"Himmel", diese überirdische Kraft bar
aller Gefühle.
Die Gegenseitigkeit der Beziehung, die in der christlichen Mystik vereinzelt aufstrahlt - etwa im Wort des Angelus Silesius: "Ich bin so groß wie Gott, er ist als ich so klein; Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein" wird in der Vereinigungstheologie fundiert. "Dadurch, daß der Mensch die drei Segen verwirklicht - und zwar vollkommene Einheit mit Gott auf der individuellen Ebene, eine auf Gott ausgerichtete Einheit mit seinem Ehepartner und Schutz und Sorge für die Schöpfung - bildet der Mensch eine kosmische Vier-Positionen-Grundlage Auf diese Weise werden wir Menschen Mitgestalter unserer Partnerschaft mit Gott." Reverend Moon selber charakterisiert die Gott-Mensch-Beziehung so: "Der Grund, warum unser Bewußtsein mit so weitreichenden Ambitionen ausgerüstet wurde, liegt darin, daß wir Wesen sind, die Gott in der Position Seines Objekts gegenüber stehen Ein Mensch ist nicht einfach ein Teil Gottes, sondern eine völlig eigenständige Persönlichkeit! Gott will, daß wir noch wertvollere Wesen als Er selber sind. Er gestattet dem Menschen die Ambitionen des Bewußtseins, damit der Mensch das Sehnen der Liebe Gottes erfüllen kann." Ein zweites wichtiges Element des Gottzugangs bei Reverend Moon ist die Ausarbeitung des Liebesgedankens zum Zentralpunkt menschlichen und göttlichen Sehnens. "Wonach verlangt es Gott vor allem anderen? Nach einem Gegenüber wahrer Liebe. Gott ist sehr einsam, solange er kein Gegenüber hat." Hier wird nach der Motivation Gottes für den Schöpfungsakt geforscht, während im Christentum oft einseitig hervorgehoben wurde, daß das Schöpfungswerk auf den Menschen hin angelegt sei. Aus der Liebe als Zentralbegriff der unifikatorischen Theologie und der Wechselseitigkeit der Beziehung zwischen Gott und Mensch erschließt sich dann ein Satz wie "Du kannst mit Sicherheit behaupten, daß Gott ohne dich nicht glücklich sein kann" als erlebte Wahrheit. Für den westlich geprägten Menschen mag es wiederum als Gegensatz erscheinen, wie im Denken Reverend Moons die Intimität der Gottesbeziehung durch den orientalischen Ordnungsgedanken balanciert wird. Als Schöpfer und Ursprung des Universums ist Gott durchaus auch das "absolute Plus", dem jeder Mensch als "totales Minus" und erwiderndes, zum Hören bereites Gegenüber begegnen soll. "Die Lebenshaltung einer wahrhaft religiösen Person, ist eine, in der er völlig aufgeht. Es ist vollendeter Gehorsam; daher kann er nicht den eigenen Willen oder die eigene Meinung üder die Gottes stellen. Er muß Gottes Willen unbedingt folgen. Es ist dies die Sphäre vollständiger Selbstverneinung, aber der Mensch muß auch völlig von Gott aufgesogen werden. Wenn ein Mensch seine Subjektivität beansprucht, nimmt er Gott gegenüber eine Plusposition ein, die Gott zurückstößt." Die Hybrisgefahr der gottabsetzenden Selbstüberhöhung der Gotteskinder wird durch die Einbindung in das universale Prinzip in Schach gehalten, das die Unterordnung unter Gottes absolute Subjektposition fordert. Des Menschen Freiheit und Einzigartigkeit als Partner Gottes und seine totale Selbstverneinung als Gottes Objekt sind in der Vereinigungslehre keine Gegensätze, sondern Zusammenhänge. Dieses umfassende Gottesverständnis eröffnete sich dem jungen Beter Sun Myung Moon in Koreas Hügeln nicht wie ein Blitz. Auch wurden die theologischen Erkenntnisse ihm nicht von Engeln auf dem Silbertablett serviert oder von Schöpferhand in Steintafeln gefräst. Es dauerte vielmehr - nach eigener Aussage - neun Jahre, bis durch Offenbarung, Studium religöser Schriften und geistiges Ringen ein komplettes Bild entstanden war. Angesichts des unifikatorischen Gedankens, daß der Mensch als verantwortliches Gegenüber Gottes bestehen muß, kann es nicht verwundern, daß dieser Prozeß der Wahrheitsfindung auch spirituelle Auseinandersetzungen bis hin zu einem Disput mit dem personalen Schöpfer involvierte. So wie Hiob mit Jahwe rechtete, Abraham mit Ihm handelte und Jona sogar Seine Gnadenakte kritisierte, ist es seit jeher das Privileg des Menschen - und nicht das weniger Auserwählter -, mit Gott zu sprechen, ja zu streiten. Sun Myung Moon erkämpfte sich die Zustimmung Gottes zu dem Verständnis um die Geschichte von Schöpfungsideal, Sündenfall und Erlösung, das er durch Bibelstudium, Inspiration, Offenbarung und intensive spirituelle Auseinandersetzung zwischen 1936 und 1945 entwickelt hatte. Erst nach Ablauf von weiteren sieben Jahren legte Sun Myung Moon diese Erkentnnisse in einer ersten Form schriftlich nieder und nochmals vier Jahre später wurden sie, dem damaligen kulturell-religiösen Umfeld angemessen, von Hyo Won Eu in Buchform gefaßt und 1957 publiziert. Obwohl die Göttlichen Prinzipien, wie das Werk in seiner englischen und allen nachfolgenden westlichen Übersetzungen benannt wurde, sich in vielen theologischen Details mit Fragen beschäftigen, die für koreanische christlich-fundamentalistische Kreise der fünfziger Jahre von größerem Interesse waren als für um Umweltfragen besorgte christliche Studenten im Berkeley oder Tübingen der 80iger und 90iger, hat die schlüssige Gesamtlinie und Vision des Buches Leser in allen Kulturen fasziniert. So gewiß, wie es aus mehr als einer spirituellen Quelle schöpft und Elemente anderer Theologien aufgreift oder neu entdeckt, so gewiß ist es "in seiner Struktur, seiner Gesamtheit ein originäres Ganzes". Wer die Lehre Reverend Moons in ihrer historischen Ausformung kennenlernen will, wird nicht umhin kommen, sich mit diesem Grundlehrbuch zu befassen. Ableitungen, Studienführer oder Kurzdarstellungen, die vielfältig zur Verfügung stehen, kommen der umfassenden Einsicht des Originals nicht gleich. Das Originalwerk wird als teilweise exegetische, teilweise philosophisch-theologische und teilweise geschichtstheoretische Schrift dabei im Vereinigungsdenken nicht als Ablösung der Bibel oder anderer heiliger Schriften gesehen. Es bietet selbst im Vergleich zu anderen theologischen oder philosophischen Werken keine leichte Lektüre, war aber für tausende der Grund, Nachfolger Rev. Moons zu werden. Nach Abschluß seiner grundlegenden spirituellen Suche widmete Sun Myung Moon sich der Verkündigung des Glaubens, die neben Gebet und unentwegten weiteren Studien von nun an sein Leben bestimmte. Zahllose andere Interessen und Aktivitäten gruppierten sich seither um diesen Kern, ebensosehr in Verbindung zum Leitmotiv stehend wie ihm gleichzeitig untergeordnet. Das Projekt des Gottesreiches berührt alle Lebensbereiche, und entsprechend breit und vom Selbstverständnis her mehr als legitim ist das Spektrum der moonschen Initiative in Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik. Es darf nicht überraschen, daß ein von Jesus berufener und mit dem oben dargelegten Gottesverständnis versehener Mensch mit jeder Faser das übergeordnete Ziel anstrebt und sich zunächst einmal nicht davon irritieren läßt, welche historische abendländische Bedenken gegen frühere westliche Gottesstaatmodelle bestehen. Übergreifend über die Herbeiführung sozialer und zwischenmenschlicher Gerechtigkeit, ja Essenz seines Herzensanliegens, die Entfremdung zwischen Mensch und Gott zu überwinden, ist Rev. Moon die Aufgabe, Gott zu trösten, den Schmerz Gottes zu entfernen, dem leidenden Gott Freude zu bereiten. Denn Gottes Allmacht scheitert nicht an sophistischen Debatten über das Gewicht von Felsbrocken -, sie wird zur elterlichen Ohnmacht, wenn ein Kind Gottes, d.h. ein jeder Mensch, hungert, durch Armut und Unwissenheit gequält, zu Unrecht verfolgt oder durch Mitmenschen unterdrückt wird, durch innere Konflikte zerissen und durch Ängste oder Abhängigkeiten aufgerieben wird, wenn er geschlagen, mißachtet, mißhandelt wird. Gott ist nicht nur vom Wesen her liebender Schöpfer, sondern in direkter Folge dieser Liebe als Eltern der Menschheit mütterlich, väterlich leidender und im Elend der Kinder mitleidender. Es sollte als Resümee zur Frage der Motivation Reverend Moons festgehalten werden, daß die Beziehung dieses Religionsstifters zu Gott nicht als theologisches Konstrukt geboren wurde, sondern ausgehend vom Glauben eines jungen Mannes, der in einer religiös geprägten Umgebung aufwuchs durch eine zielgerichtete Vision und emphatisch-mystisches Erfahren Jesu, der Heiligen vieler Religionen und Gottes die starke Form annahm, die Rev. Moon dazu führte, nicht nur zu sagen "Gottes Wille war da, bevor ich da war", sondern auch für die folgenden (bisher) sechs Lebensjahrzehnte nach dieser Maxime zu leben. "Vom Willen weiche ich nicht einen Zentimeter ab. Um den Willen zu erfüllen, scheue ich auch den Pfad des Opfers nicht, ganz gleich, was für ein Opfer gebracht werden muß." |