Die Vereinigungsprinzipien

Kapitel 2: FALL DES MENSCHEN

Jeden Tag sehen und hören wir von den Problemen dieser Welt. Meldungen über Terrorismus, Korruption, Erpressung und Krieg erreichen uns; Nachrichten von Krankheit und Hunger geben uns das Gefühl, daß wir wirklich durch ein "irdisches Jammertal" gehen. Diese schreckliche Seite des menschlichen Lebens war die ganze Geschichte hindurch ein Teil unseres Daseins. Ist dies unabänderlich und unüberwindbar? Was verursacht diese Hölle, in der wir leben?

Alle diese Ereignisse sind eine Folge von Handlungen einzelner Personen, die sich in Familien, Gruppen und Nationen auswirken. Somit haben die Konflikte in unseren Familien, Gruppen und Nationen ihre Wurzeln in den Konflikten einzelner. Und schließlich haben wir untereinander deshalb Konflikte, weil wir in uns selbst Konflikte haben.

     "Was ist der Hauptfeind des Menschen? Jeder Mensch ist sein eigener."
     (Anacharsis: Stobäus, Florilegium, 11,43)
 
     "Niemand außer mir selbst hat mir jemals etwas angetan."
     (Napoleon Bonaparte)

Da alle Probleme des einzelnen Menschen in seinem inneren Konflikt wurzeln, müssen wir uns mit dem Zustand des einzelnen befassen, um eine Lösung für die Probleme der Welt finden zu können.

Wie bereits früher erklärt wurde, liegt in jeder Person die Sehnsucht nach Schönheit und Friede. Trotzdem aber setzt jeder von uns Handlungen, die nicht gut, nicht gerecht, nicht schön und friedlich sind. Jeder von uns teilt manchmal die Klage des heiligen Paulus: "Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will" (Röm 7,19). Nun können wir verstehen, warum Buddha lehrt, daß ein grundlegender Wesenszug unserer Existenz von der Geburt bis zum Tode das Leiden ist. Niemand ist glücklich über diese Tatsache, doch die meisten akzeptieren sie als unabänderlich und der menschlichen Natur überhaupt zugehörig.

Gott aber ist in sich eins. Er trägt keinen Widerspruch in sich und widerstrebt sich auch nicht. Darum ist alles, was er erschaffen hat, gesund und gut. "Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut" (Gen 1,31). Wie wir früher gesehen haben, war der Zweck, zu dem Gott uns erschaffen hat, das Erleben von Freude. Liebe ist die Quelle der Freude. Wenn wir Liebe erleben, dann empfinden wir Freude, und wo Liebe und Freude ist, dort sind Friede, Einheit, Toleranz und alle Tugenden in reichem Maß. Daraus erkennen wir, daß Liebe der entscheidende Faktor unseres Lebens ist. Liebe ist der Schlüssel zu Frieden und Glück. Mangel, Mißbrauch oder selbstbezogene Liebe sind die Ursache von Uneinigkeit, Haß, Gewalt und allen anderen destruktiven Aspekten unseres Wesens.

Mit einfachen Worten: wenn wir lernen könnten zu lieben, so könnte unsere Hölle der Selbstbezogenheit ausgerottet werden. Ein zentraler Teil des geistlichen Amtes Jesu war seine Lehre der Liebe. Doch nur wenige sind fähig, seinem Beispiel zu folgen. Warum?

Die Psychologie hat nachgewiesen, daß die grundlegende Persönlichkeit während der ersten Lebensjahre geformt wird. Gleichgültig, wie aufrichtig unser Bemühen auch sein mag, es ist einfach sehr schwierig, unseren Charakter noch einmal tiefgreifend zu verändern, wenn er bereits gefestigt ist. Jesus sagte: "Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen" (Mt 18,3); und "Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen" (Joh 3,3). Warum hat Jesus diese Dinge gesagt?

Er wollte uns lehren zu lieben, denn wir vermögen dann die Liebe am tiefsten zu verstehen, wenn wir offen und rein sind wie kleine Kinder.

Wer sollte uns demnach in der ursprünglichen Schöpfung die Liebe Gottes übermitteln? Wie die Prinzipien der Schöpfung erklären, sollten dies unsere eigenen Eltern tun. Und warum ist unsere Fähigkeit zu lieben unvollkommen? Der Grund liegt darin, daß das, was wir erlebt haben, nur unvollkommene Liebe war.

Ein Kleinkind lernt nicht bloß durch Worte, sondern auch durch Berührung, durch Geschmack und Gefühle. Kinder sind in der Regel diesen Dingen gegenüber viel empfind samer als Erwachsene. Das Baby fühlt instinktiv die Qualität der Liebe zwischen seinen Eltern: man kann ihm nichts verheimlichen, denn diese Liebe ist die gesamte Welt des Babys. Wir kennen die wahre Liebe deshalb nicht, weil wir sie durch unsere Eltern nie kennengelernt haben. Sie wiederum konnten uns diese Liebe nicht weitergeben, weil sie sie selbst nie erlebt haben. Verglichen mit dem Familienideal, das Gott auf Erden sehen wollte, blieben alle Familien in der Geschichte hinter diesem Standard zurück. Wir wollen das Gute in den Familien nicht leugnen, aber der Standard Gottes, den Jesus lebte, wurde bisher noch in keiner Familie verwirklicht. Keine Eltern teilten Gottes Ideal der Liebe miteinander, weil es einfach keine vollkommenen Menschen gegeben hat. Diese mangelhafte Liebe in den Familien ist die Wurzel der Probleme des einzelnen.

Warum hat die rechte Liebe in der Familie gefehlt? Wenn unsere Unfähigkeit, unsere Kinder die Liebe Gottes zu lehren, eine Folge davon ist, daß unsere Eltern sie uns schon nicht zeigen konnten, so können wir die Spur eine Generation um die andere zurückverfolgen, wobei immer die Unfähigkeit der jeweils jüngeren Generation aus der älteren Generation folgt. Letztlich führt uns dieses Faktum der Vererbung zurück zum Ausgangs punkt, den Stammeltern der Menschheit.

Legenden von der ursprünglichen Sünde

Wir haben dieses vorgeschichtliche Paar schon als "Adam und Eva" bezeichnet. So wie alle Bewegungen in der Geschichte mit einer Person begonnen haben, so begann das Menschengeschlecht sicherlich an einem bestimmten Punkt in der Geschichte. Die gesamte aufgezeichnete Geschichte offenbart die Existenz des Bösen. Daher muß das Böse bereits in diesem vorgeschichtlichen Zustand seinen Ursprung haben. Es ist schwer abzusehen, ob uns die Wissenschaft einmal überzeugende Beweise über die Ursachen des Bösen oder des Menschengeschlechtes liefern wird. Der Geist des Menschen hat jedoch in allen Kulturen Vorstellungen und Überzeugungen bezüglich dieser weit zurückliegenden Ereignisse hervorgebracht.

Die phönizische Tradition spricht von einem verlorenen Paradies mit Bäumen, einer Frucht und einer Eva-Figur. In ägyptischen Erzählungen ist die Rede von einem verlorenen goldenen Zeitalter, vom Tod, der von der Urmutter verursacht wurde, und von einer Schlange. Das babylonische Epos "Gilgamesch" erzählt von der Verführung des Mannes Eabani durch eine heilige Prostituierte, Ukhat, wodurch er vom natürlichen Leben zur Zivilisation gelangte. Ebenfalls eine Rolle in dieser Erzählung spielt Tiamat, verschiedentlich als das ursprüngliche Chaos oder eine "böse Schlange" interpretiert. Im griechischen Erbgut ist es Pandora, deren Neugierde Unheil über die Welt brachte. Die persische Mythologie hat einen Adam (Yima), eine "teuflische Schlange" (Azhi Dahaka) und eine Frucht (havma). Eine indische Sage lehrt, daß Brahma von Shiva zum Glauben verführt wurde, daß eine Blüte vom Baum der Erkenntnis ihm Unsterblichkeit verleihen würde.

Die Bedeutung dieser Geschichten liegt nicht in dem Anspruch, buchstäbliche Berichte von solchen Ereignissen zu sein. Dies zu beweisen, wäre in jedem Fall unmöglich. Wir behaupten jedoch, daß es ein bestimmtes Ereignis gegeben hat, wodurch das Böse entstand, und daß dieses Ereignis durch viele Kulturen in Form von Sagen und Legenden weiterge geben wurde. Diese Sagen sind keine Parabeln, keine Geschichten, die dazu erfunden wurden, um eine bestimmte Moral zu lehren. Wir betrachten sie vielmehr als vage geschichtlich bedingte Erinnerungen mit gemeinsamen Schlüsselthemen, die sich auf jeden Menschen beziehen, da sie etwas widerspiegeln, was sich tatsächlich einmal ereignet hat. Darum haben diese Geschichten universellen Wert. Dieselben grundlegenden Themen ziehen sich durch die Geschichte aller Kulturen hindurch: das verlorene Paradies, die Schlange und sexuelle Leitmotive. Sie haben außerdem eine symbolische Bedeutung: Es sind archetypische Elemente, die auf menschliche Situationen angewendet werden können. Durch sie lernen wir unsere menschlichen Erfahrungen zu verstehen und auch damit umzugehen. Sie repräsentieren in gewisser Hinsicht die Geschichte jedes Mannes und jeder Frau. Darum verdienen diese Geschichten unsere Aufmerksamkeit.

Keine Erzählung über unseren Ursprung hat die Menschheit so machtvoll betroffen, wie der kurze Bericht, der am Beginn der Bibel geschildert wird, die Geschichte von Adam, Eva und der Schlange. Durch diese Geschichte haben Christen, Juden und Moslems die Existenz des Bösen zu erklären versucht.

Der Zweck unserer Erforschung der Sündenfallgeschichte liegt darin, seine Relevanz für die heutige Situation zu ergründen. Das Böse ist Teil des menschlichen Lebens, daher beschreiben wir die Wesen und Motive, die das Böse hervorgebracht haben, in menschlichen Begriffen; Adam und Eva waren Menschen, erlebten menschliche Gefühle, die unseren Gefühlen entsprechen. Auch Engel erleben Gefühle, denn sie reflektieren ebenfalls das Wesen Gottes.

Wie schon früher erwähnt wurde, glauben wir, daß diese Geschichte ein mythischer Bericht eines tatsächlichen Ereignisses ist, die Überlieferung einer direkten Inspiration von Gott. Somit ist sie ein erstrangiger Anhaltspunkt zum Verständnis der Wurzel der Sünde und des Bösen in unserem Leben. Ohne Kenntnis der Ursache der Sünde können wir die Auswirkungen der Sünde niemals bewältigen. Die Geschichte von Adam und Eva hat ihren Wert als ein symbolischer Bericht jenes Ereignisses, das die Sünde hervorbrachte. Im Rahmen unserer Erfahrungen interpretiert, vermittelt sie uns einen Einblick in uns selbst und unser Verhältnis zur Welt. Unser Staunen, das aus Gott und den Tatsachen erwächst, die wir in und um uns sehen, drängt uns dazu, den Aussagen der vorliegenden Interpretation Glauben zu schenken.

Die Interpretation, die wir anbieten, beruht auf den Prinzipien der Schöpfung, die im ersten Teil dieser Schrift vorgestellt wurden. Demnach sollten die Stammeltern die Vollkommenheit in der Liebe zu Gott erreichen und nach Erreichen der Vollkommenheit eine ideale Familie errichten. Während der Entwicklungsperiode waren sie zwar sündenlos, jedoch nicht vollkommen. Unserer heutigen Welt nach zu schließen, hat die Liebe der Stammeltern nie die Vollkommenheit erreicht; sie versagten darin, vor ihrer Ehe und Fortpflanzung, die Vollkommenheit zu erreichen. Ihre Liebe muß unreif gewesen sein. Sie war nicht jene Liebe, durch die Gott hätte wirken können.

Da von einer Generation auf die andere geistige Wesenszüge genauso weitervererbt werden wie physische, ererben wir alle bösen Charakterzüge genauso wie gute, wie es in den Prinzipien der Schöpfung schon erklärt wurde. Die bösen Charakterzüge kommen nicht von Gott. Diese Eigenschaften bezeichnen wir als "gefallene Natur", denn sie widerstreiten unserer ursprünglichen Natur, die wir von Gott bekommen haben. Genau wie unsere tugendhaften Charakterzüge das Wesen Gottes widerspiegeln, so müssen auch unsere bösen Charakterzüge in einem ursächlichen Wesen ihren Ursprung haben. Im Christentum wird dieses Wesen als "Satan" bezeichnet. Um das Wesen Satans zu verstehen, wollen wir zuerst die gefallene Natur etwas näher betrachten.

Den Prinzipien der Schöpfung entsprechend sollten die ersten menschlichen Vorfahren zur Vollkommenheit heranwachsen, ehe sie eine Familie gründen. Das selbstbezogene Verlangen nach Liebe war der Grund für ihre voreheliche Vereinigung.

Die gefallene Natur

Die gefallene Natur ist eine Verzerrung unserer ursprünglichen Natur, die von Gott stammt. Darum mag sie urtümlich und gut erscheinen - sie kann so ursprünglich sein, wie wenn wir aus ursprünglichen Motiven handeln, jedoch ohne die volle Gegenwart Gottes in unserem Leben.

Wir werden auf vier Aspekte der gefallenen Natur hinweisen. Zuerst einmal sehen wir das Leben aus unserer eigenen, auf uns zugeschnittenen Perspektive. Wenn diese mit dem Gesichtspunkt Gottes übereinstimmt, dann ist es gut. Ist sie mit dem Gesichtspunkt Gottes jedoch unvereinbar und sind wir eher geneigt, unserer eigenen Sicht zu folgen als der Sicht Gottes, so manifestieren wir einen Aspekt der gefallenen Natur: das Unvermögen, alles von Gottes Gesichtspunkt aus zu betrachten. Wir werden egoistisch, unempfindsam für andere, arrogant und neigen dazu, andere für unsere eigenen Probleme zu beschuldigen. Wir neigen dazu, nur für unseren eigenen Vorteil zu leben, egal ob sich dies bloß auf uns selbst bezieht oder auf unser Familienleben, Gesellschaftsleben oder unsere Nation. Wir versagen, unsere Verantwortung dem Ganzen gegenüber zu erfüllen, dessen Teil wir sind. Darum opfern einzelne den anderen zum eigenen Vorteil, und Nationen tun das Gleiche mit anderen Nationen. Da dies eine Tatsache ist, sind Konflikte unvermeidlich.

Ein egozentrischer Gesichtspunkt ist der Hauptaspekt der gefallenen Natur. Aufgrund dieses Charakterzuges werden die Menschen einander fremd, und die Welt wird zu einem Gefängnis. Wir versuchen natürlich daraus zu entkommen. Viele suchen die Flucht in sich selbst. Dies führt oft zu Drogensucht und unter Umständen zu schweren geistigen Problemen. Viele suchen zu entkommen, indem sie andere ausnutzen. Darin stellen wir den zweiten Aspekt der gefallenen Natur fest: die Nichterfüllung der Verantwortung in der Position, für die wir zuständig sind.

Wie überall in der Natur gibt es auch im menschlichen Leben natürliche Positionen und Aufgaben, die - wenn sie erfüllt werden - zu einem Maximum an Freude für uns und Gott führen. Aufgrund unserer Selbstsucht fällt es uns schwer, mit anderen zusammen zuleben. Und da wir so kein Glück finden, verlassen wir unsere natürliche Position zum eigenen Nutzen. Das Kind bleibt nicht länger Kind, sondern es wird zu einem kleinen Erwachsenen; die Eltern werden zu Polizisten; der Arbeitgeber wird zum Richter; der Freund wird zum Rivalen. Unsere Unzufriedenheit, Frustration und Langeweile und unser Ärger kommen so in falschen Beziehungen zu anderen zum Ausdruck.

Die problematischste Folge dieser gefallenen Natur ist die Sünde der Unzucht. Männer und Frauen verlassen dabei ihre natürliche Beziehung als Bruder und Schwester und verhalten sich als Ehemann und Ehefrau im Streben nach selbstsüchtiger Erfüllung. Das zerstört die Verantwortlichkeit gegenüber Gott und den anderen Menschen. In einem unzüchtigen Verhältnis gibt es keinen wahren Vater und keine wahre Mutter, keinen Ehemann und keine Ehefrau; hier gibt es für Gott überhaupt keinen Platz. Ohne Gott aber ist die Liebe leer und nichtig.

Liebe, von der die Jugend glaubt, sie bringe ewige Freude, wird sehr schnell langweilig und verursacht oft mehr Kummer als Glück. Ein hoher Prozentsatz der Ehen endet heute in der Scheidung. Dies dürfte aber bloß ein kleiner Teil sein, verglichen mit der Vielzahl von Beziehungen, die nicht einmal den formellen Status der Eheschließung erreichen. Die Menschen streben verzweifelt nach Erfüllung in der Liebe; die steigenden Scheidungsziffern zeigen jedoch klar, daß wir keine Erfüllung finden. Mit der steigenden Zahl der gescheiterten Ehen nehmen auch Jugendkriminalität und der abscheuliche Mißbrauch von Drogen und Alkohol ständig zu. Studenten, die vielleicht die größte Begeisterung für das Leben haben sollten, weisen die höchste Selbstmordrate unter allen Bevölkerungsschichten auf. Unzucht ist eine Sünde, die durch keine Gesetze, keine Gerichte, keine Pillen und kein Lehrprogramm zu bewältigen ist. Nur, wenn wir die Wahrheit erkennen und unsere eigenen Herzen ändern, können wir sie mit Gottes Hilfe überwinden.

Ein dritter Hauptaspekt unserer gefallenen Natur ist unsere Neigung dazu, andere zu beherrschen. Dies entspricht insofern dem ursprünglichen Ideal, daß unser Leben von der Liebe dominiert werden sollte, es fehlt jedoch das Verständnis, daß der einzige Weg, Liebe zu empfangen, der ist, zuerst Liebe zu geben. Die Welt hat die wahre Herrschaft der Liebe umgedreht: wir lernen zuerst zu nehmen und erst später zu geben. Wir sehnen uns danach, geliebt zu werden und unterwerfen uns mit Freude dieser Herrschaft. Aufgrund des Falles streben wir jedoch danach, die Liebe anderer Menschen zu besitzen, ausgerichtet auf unser eigenes Ich. Dies ist bloß eine Imitation der wahren Liebe und hinterläßt in uns immer das Gefühl, daß etwas fehlt.

Ein anderes Beispiel für die Umkehr der Herrschaft ist die Herrschaft unseres Körpers über den Geist. Wir neigen dazu, uns auf Kosten anderer Menschen auf unsere eigenen physischen Bedürfnisse und Sehnsüchte zu konzentrieren. Wir identifizieren uns übermäßig mit unserem Körper und fürchten uns daher vor dem Altwerden und vor dem Sterben. Die falsche Herrschaft des Körpers trennt uns voneinander und vom Gemein schaftsleben, das wir miteinander teilen könnten, wenn wir uns unserer gemeinsamen geistigen Natur mehr bewußt wären.

Auch neigen Führer aufgrund der Umkehr der Herrschaft dazu, Macht durch falsche Methoden wie Zwang oder Betrug zu erlangen und zu behaupten. Das 20. Jahrhundert liefert die besten Beispiele für dieses Problem. Durch schlechte Erfahrungen mit vielen Führern neigen wir dazu, jedem zu mißtrauen, der in einer Führerposition steht.

Ein vierter Aspekt der gefallenen Natur ist das Verführen anderer zur Sünde. Dies bezeichnen wir als die "Vermehrung der Sünde". Gefallene Menschen glauben, wenn andere das auch machen, was sie getan haben, dann ist es nicht so schlimm. Und wenn es überhaupt jeder tut, dann ist es nicht nur nicht mehr so schlimm, sondern dann sollte ich es sogar auch tun! Es entspricht der gesellschaftlichen Norm. Wir neigen immer dazu, andere in unsere Sünde hineinzuziehen. Je mehr Menschen diese Sünde akzeptieren, desto kleiner und unerheblicher erscheint sie. Die Folge ist der Verlust jedes absoluten Maßstabes von Gut und Böse: alles hängt vom "gesunden Volksempfinden" ab. Niemand ist wirklich sicher, was richtig ist und was falsch: "Wenn dir das gefällt, dann tu's doch"; "Solange es mich nicht stört, ist es in Ordnung"; "Alle anderen tun es ja auch, warum sollte gerade ich so altmodisch sein?". Somit werden wir nach und nach überzeugt, daß das Gute schlecht ist und das Böse gut. Indem sich die Sünde ausbreitet und immer mehr davon betroffen sind, scheint sich niemand mehr tatsächlich schuldig zu fühlen. Der gefallene Mensch verliert durch die Vermehrung der Sünde den wahren Maßstab von Gut und Böse.

Jesus wurde als Verbrecher gekreuzigt. Wir passen oft unseren Maßstab des Guten dem Diktat der Masse an und unterstützen damit indirekt etwas, was wir eigentlich als falsch erkennen. Hätten Sie sich für Jesus eingesetzt? Andere Beispiele sind die Gleichgültigkeit der Welt gegenüber dem Rassenmord an den Juden im Zweiten Weltkrieg und dem Tod zahlloser Millionen unter dem Kommunismus. Auf der Seite des Kapitalismus wiederum läßt man den Fortbestand einer Armenklasse neben exzessivem Wohlstand zu.

Eine verhängnisvolle Folge unserer gefallenen Natur liegt darin, daß wir gegenüber dem Bösen in der Welt abgestumpft werden. Zwei spezielle Folgen dieser Gefühlslosigkeit ermöglichen den Fortbestand des Bösen. Die eine ist die Hoffnungslosigkeit: Wir glauben, daß es gar keine Möglichkeit gibt, diese Welt in einen Ort des Guten umzuwandeln. Die zweite ist eine selbstbetrügerische Unverantwortlichkeit, die uns glauben macht, daß das Böse nur eine Illusion sei, oder daß es ohnehin von selbst aufhören würde. Diese Betäubung ist die wahre Gefangenschaft unseres Geistes, aus der heraus wir uns nach Erlösung sehnen.

Es ergeben sich vier Schlüsselaspekte der gefallenen Natur: den egozentrischen Gesichtspunkt, die Nichterfüllung der Verantwortung in einer bestimmten Position, für die wir zuständig sind, die Umkehr der Herrschaft und die Vermehrung des Bösen. Wie gesagt, weisen diese Merkmale zurück auf ein ursprüngliches Wesen, das "Satan" (= Widersacher) genannt wird. Satan kann daher als falscher Vater der Menschheit betrachtet werden.

Tatsächlich sagte Jesus: "Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit, denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge" (Joh 8,44).

Nachdem wir uns mit der Realität des Bösen auseinandergesetzt haben und zur Ansicht gekommen sind, daß Satan der "Vater" aller Menschen ist, und die mangelhafte Liebe zwischen Mann und Frau die Wurzel der gesellschaftlichen Probleme, wollen wir uns an die biblische Geschichte vom Sündenfall heranwagen.

Der biblische Bericht vom Sündenfall

Die Bibel berichtet, daß Adam und Eva in einem Garten lebten, wo sie von Gott alles frei erhielten, und daß sie sich nur an ein einziges Gebot zu halten hatten: nicht von der Frucht eines bestimmten Baumes zu essen. Durch die Versuchung einer Schlange aß die Frau jedoch von dieser Frucht und gab davon auch dem Mann, woraufhin sich beide schämten. Gott vertrieb sie aus dem Garten und verfluchte die Schlange. Der Erzählung nach war dies der Fall der Stammeltern.

Ob der Bericht legendenhafte Elemente enthält oder nicht - Adam und Eva (hebräische Worte für "Mann", "Mensch" bzw. für "Mutter der Lebenden") repräsentierten jedenfalls das erste Menschenpaar, das tatsächlich existierte. Bäume symbolisieren in der Bibel oft Menschen (Ps 1,3; Jes 5,7; Jer 17,8, Röm 11,17 u.v.a.) und die beiden Bäume - der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse - in der Mitte des Gartens symbolisieren unserer Ansicht nach Adam und Eva, die das Zentrum der Schöpfung waren.

Die Frucht eines Baumes ist das Symbol der Reife und der Fortpflanzung; mit anderen Worten, die Frucht symbolisiert die Liebe. Das "Essen der Frucht" symbolisiert eine sexuelle Beziehung (vgl. das Hohelied Salomons).

Warum sollte Gott aber Adam und Eva ein Gebot geben, das ihnen den Akt der Liebe verbot? Wie schon vorher aufgezeigt wurde, betrachten wir das Gebot nicht als einen ewigen Erlaß. Dies kann es offensichtlich nicht gewesen sein, denn hätte es ewig gegolten, dann gäbe es keine Familien, und Gott hätte seinem eigenen Zweck der Schöpfung widersprochen. Vielmehr war das Gebot dazu bestimmt, die Integrität Adams und Evas zu gewährleisten, während sie in ihrer Wachstumsperiode waren - unreif, unstabil und noch nicht völlig eins mit Gott. Gott wußte, daß die einzige Kraft, die sie von ihrem natürlichen Wachstum abbringen konnte, die mißbrauchte Kraft der Liebe war. Nur die mißbrauchte Kraft der Liebe konnte stark genug sein, um die ursprüngliche Sehnsucht der Menschen fehlzuleiten und sie von Gott abzulenken. Wenn sie das Gebot gehalten hätten, so hätten sie bis zur Erfüllung des ersten Segens keine sexuelle Beziehung gehabt. Erst ihre Einheit mit Gott hätte sie dazu befähigt, die Liebe auf die wahre Art zu geben und zu empfangen, wodurch sie den zweiten Segen erfüllt hätten.

Das Wesen Adams und Evas als sündenlose Kinder Gottes war nicht zum Ungehorsam veranlagt und dennoch fielen sie. Es muß daher eine Kraft gegeben haben, die nicht von Gott kam und die ihren Ungehorsam verursachte. Da die Kraft des Bösen, die sie beeinflußt hat, schon vor ihnen existierte, ist nur eine von drei folgenden Erklärungen möglich:

Eine ist, daß das Böse eine ewige Kraft ist, die in einer Dualität mit Gott existiert. Dies kann insofern nicht so sein, als aus einer ursprünglichen Disharmonie heraus keine Schöpfung hätte erfolgen können.

Die zweite ist, daß das Böse von Gott erschaffen wurde. Auch dies ist unmöglich, da ein Gott des Guten niemals etwas Böses erschaffen würde.

Die letzte Möglichkeit ist, daß sich ein ursprünglich gutes Geschöpf von Gott abgewandt hat, sein eigenes gutes Wesen mißbraucht hat und dadurch einen Bereich des Bösen geschaffen hat.

Diese Möglichkeit ist logisch und entspricht den Tatsachen. Wie bereits erklärt, enthalten alle Legenden über den Fall eine dritte Gestalt. Im biblischen Bericht wird diese als Schlange dargestellt. Die Tatsache, daß diese Schlange soviel Intelligenz besaß, daß sie mit Eva sprechen und sie irreführen konnte, und daß sie das Gebot kannte, das Gott Eva gegeben hatte, weisen darauf hin, daß es sich um ein geistiges Wesen handeln muß und nicht um eine buchstäbliche Schlange. In Offb 12,9 wird berichtet, daß die alte Schlange, die Teufel und Satan heißt, aus dem Himmel gestoßen wurde und seine Engel mit ihm. Im Himmel können nur geistige Wesen existieren, und nur ein Engel kann andere Engel unter sich haben. Traditionellerweise wird Satan, diese Schlange, mit dem Erzengel Luzifer identifiziert.

Wir sehen, daß diese Geschichte für ihre Gestalten Symbole verwendet; die Bäume und die Schlange repräsentieren zwei Menschen und einen Engel. Wir wollen nun die Handlungen und Motivationen Adams, Evas und Luzifers in diesem neuen Lichte betrachten.

Wie schon in den Prinzipien der Schöpfung erklärt wurde, waren die Engel als Diener und Boten Gottes erschaffen worden, und sie erfüllen diese Rolle, wo immer die Bibel davon spricht. Gottes Geschenk für Luzifer war die Wahrheit, und er lebte im Garten, um Gottes Kindern zu dienen und sie zu unterrichten. Seine Aufgabe war schwierig, denn er war jenes Wesen, das Gott am nächsten gestanden hatte; doch nun sollte er sich vor Adam und Eva erniedrigen. Die Liebe Gottes zu Luzifer hat sich nie verändert, trotzdem aber erhielt er weniger Liebe als Adam und Eva. Luzifer, der auf seinem eigenen Gesichtspunkt beharrte, begann auf Adam und Eva eifersüchtig zu werden. Somit entfernte sich Luzifer, gemäß dem ersten Aspekt der gefallenen Natur, vom Gesichtspunkt Gottes und wurde ein immer selbstsüchtigeres Wesen.

Er erkannte, daß Adam und Eva Wesen waren, die ihn eines Tages überragen würden. Doch Adam und Eva im Garten waren als unreife Kinder nicht imstande, Luzifer mit Gottes Liebe zu lieben. Luzifers schwierige Aufgabe war es, ihnen zu dienen, selbst wenn er nichts zurückerhielt. Daß dies Luzifers Aufgabe war, ist eine Tatsache, die vielen jüdischen Gelehrten um die Zeit Christi geoffenbart wurde.

Doch Luzifers Gefühle von Neid, Eifersucht und Groll wuchsen. Er war von Adams und Evas Glück verletzt. An wen konnte er sich in dieser Situation wenden? Gott? Nein, er fühlte Mißtrauen gegenüber Gott und klagte ihn sogar an, daß Er ihn nicht genug lieben würde. Gott konnte nichts tun, um Luzifer direkt zu trösten. Konnte er sich Adam und Eva zuwenden? Ja, aber sie waren unreif, und er war dazu verwiesen, ihnen zu dienen. So wandte er sich ihm selbst zu.

Dies war die Saat des Bösen. Luzifer begann die Dinge von einem egoistischen Standpunkt aus zu betrachten und seinen eigenen Gesichtspunkt ernster zu nehmen als den Gesichtspunkt Gottes. Die Sehnsucht nach Liebe, ursprünglich als etwas Gutes von Gott erschaffen, # wurde nun von Luzifer umgeleitet.

Der zweite Aspekt der gefallenen Natur trat in Erscheinung. Er verließ seinen Verantwortungsbereich, die Position eines Dieners zu erfüllen und begann mit Adam und Eva von einer egoistischen Position aus zu verkehren.

"Du aber hattest in deinem Herzen gedacht: Ich ersteige den Himmel, dort oben stelle ich meinen Thron auf, über den Sternen Gottes; auf den Berg der (Götter)versammlung setze ich mich, im äußersten Norden. Ich steige weit über die Wolken hinauf, um dem Höchsten zu gleichen." (Jes 14,13-14)

Luzifers Augen sahen Adam und Eva nun auf andere Art. Die Eifersucht der Liebe war noch immer in ihm, doch nun war sie auf ihn selbst ausgerichtet, nicht mehr auf Gott. Natürlich fühlte er sich dort hingezogen, wo er die meiste Liebe erwarten konnte. Somit fiel sein Augenmerk auf Eva.

Eva mußte ein sehr unschuldiges Wesen gehabt haben, und Luzifer mag sich um ihre Aufmerksamkeit, Freundschaft und Liebe bemüht haben. Es entsprach ihrem Wesen, zu erwidern, zuzuhören und andere zu umsorgen. Mit der Zeit muß sie sich immer mehr in diese Beziehung eingelassen haben, neugierig und voller Staunen, denn das Wesen Luzifers war faszinierend. Adams Wesen war auf der damaligen Stufe seiner Entwicklung im Vergleich dazu blaß und unscheinbar.

Luzifer glaubte, daß er vollständige Liebe erleben könne, indem er sich der Eva bemächtigte. Er war klug und für Eva sehr attraktiv, genauso wie sie für ihn. In ihrer Naivität und Zutraulichkeit sehnte sie sich nach Wissen und Reife. Sie hörte das Wort des Engels und erwiderte darauf. Er wußte vom Gebot. Leicht konnte er Eva im Vertrauen andeuten, daß es ihre Freiheit einschränken würde, und daß Gott ihr den Segen ja zu ihrem Vergnügen geben wollte, ohne erst zu warten. Durch das gegenseitige Geben und Empfangen wurde die Kraft der Anziehung zwischen ihnen immer stärker.

Als Adam und Eva geschaffen wurden, übertrug ihnen Gott die Verantwortung über die Engel. Teil der Verantwortung Adams und Evas war es, die Herrschaft über die Engelwelt zu erlangen, die Luzifer repräsentierte.

Eva entwickelte sich durch die Kraft natürlicher Prinzipien, die in ihrem ursprüng lichen Gemüt wirkten, der Vollkommenheit entgegen. Wenn Eva sich an das Gebot gehalten hätte, so hätte sie diese Kraft zur Vollkommenheit geführt. Sie hatte noch nicht jene Stufe erreicht, wo Gottes Liebe sie direkt hätte führen können, denn im Stadium der Unvoll kommenheit war sie noch nicht fähig, diese Liebe intellektüll oder emotionell zu erfassen. Ihre Verantwortung war es, gehorsam zu sein in Glaube und Hoffnung. Sie war jedoch durch die Worte des Erzengels verwirrt und von seiner Weisheit angezogen. Die Kraft der Liebe zu ihm überstieg die Stärke ihres Gehorsams Gottes Gebot gegenüber. Sie übertrat das Gebot durch einen sexuellen Verkehr mit Luzifer auf geistiger Ebene. Dies war die ursprüngliche "Umkehr der Herrschaft", wobei zum erstenmal ein Engel einen Menschen, entgegen der Schöpfungsordnung, beherrschte. Die Kraft dieser nicht den göttlichen Prinzipien entsprechenden Liebe schuf in Evas unreifem Wesen neben ihrem ursprünglichen Gemüt eine neue Basis, die für die falschen Gefühle Luzifers empfänglich war. Sein Ressentiment, seine Eifersucht und seine sinnliche Begierde wurden damit auch Eva zuteil. Luzifer fühlte außerdem Angst, Scham und Schuld, und auch diese Emotionen übertrugen sich nun auf Eva. Dies war der "geistige Fall".

Das geistige Selbst des Menschen kann mit anderen Wesen in der geistigen Welt Beziehungen aufnehmen. Daher ist eine sexuelle Beziehung zwischen Eva und Luzifer von den Schöpfungsprinzipien her gesehen möglich. Außerdem gibt es in der Geschichte viele Berichte von derartigen Ereignissen, z.B. in der zoroastrischen Literatur, in außertestamentlichen jüdischen Schriften und anderer rabbinischer Literatur. Im Midrasch wird berichtet, daß Satan "nach Eva gelüstete" und daß die Schlange "in Eva eingeht und sie mit seiner Lüsternheit infiziert". Daß göttliche Wesen sexuelle Beziehungen mit Frauen haben, war auch in der hellenistischen Religion eine geläufige Ansicht.

Durch dieses Verhältnis mit Eva wurde Luzifer zu einem Wesen, daß unumstößlich gegen Gott stand. Wir nennen Luzifer nun Satan oder den Teufel. Aufgrund der Verführung Evas wurde ihr Wachstum zur Reife unterbrochen und in eine Richtung gelenkt, die durch die Lüge Satans festgelegt worden war. Luzifer wußte, daß die gesamte Schöpfung für Adam und Eva geschaffen worden war, und daß er sich durch Eva auch an Adam heranmachen konnte. Indem er die Herrschaft über Adam und Eva erlangte, konnte er die Position Gottes an sich reißen und sich als Herrscher der Welt aufspielen. Jesus bezeichnete den Teufel als den "Herrscher dieser Welt" (Joh 12,31), denn er war derjenige, der Jesus alle Königreiche der Erde anbot. "Satan imitiert Gott", sagte Martin Luther.

Kein Geben und Empfangen mit Luzifer hätte Evas Entwicklung behindert, solange sie nicht das Gebot übertrat, und daher stellte kein Wort und keine Handlung Luzifers vor dem Fall eine Sünde dar. Doch die unwiderrufliche Handlung der Unzucht, die eine Übertretung der Gesetze der Schöpfung bedeutete, diese mißbrauchte Kraft der Liebe zerstörte die Wirksamkeit der Prinzipien der Schöpfung, die Eva zur Reife geführt hätten. Verwirrt durch die Kraft Luzifers verloren Evas Herz und Gemüt ihre ursprüngliche Ausrichtung. Gott konnte trotz all seiner Liebe, mit der er sich danach sehnte, seine Tochter zu trösten, sie nicht erreichen, denn sie hatte kein Fundament für eine Beziehung zu ihm. Es gab nun keine Möglichkeit mehr für Eva, die Existenz Satans zu überwinden, der nun zwischen Gott und ihr stand. Wir können uns die Tränen des Kummers vorstellen, die Gott weinte, als er zusehen mußte, wie seine Tochter fiel. Nun gab es nur noch einen Kanal, durch den Gott wirken konnte: Adam.

Eva erkannte das Vergehen, das sie begangen hatte und wollte es ungeschehen machen. Außerdem erkannte sie, daß Adam derjenige gewesen wäre, zu dem sie später einmal eine Liebesbeziehung haben sollte. Sie wandte sich somit wieder Adam zu, einerseits mit der Sehnsucht, wieder zu Gott zurückzukehren, andererseits jedoch behaftet mit der gefallenen Natur, die sie von Luzifer ererbt hatte. Sie suchte auf egozentrische Weise nach einem Ausweg.

Sie näherte sich Adam in der falschen Position: als seine Gattin anstatt als seine Schwester. Damit verließ sie ihre ursprüngliche Position und kehrte die Herrschaftsordnung um, indem sie es Satan anstatt Gott ermöglichte, die Art der Beziehung zu beeinflussen.

Adams Wesen entsprach es, Eva zu lieben, sie mehr zu schätzen als alles andere im Universum und ihr die ganze Liebe zu schenken, die er von Gott bekam. Doch bevor Adam eins war mit Gott, hatte er noch nicht das Format, Eva in der wahren Weise zu lieben. Anstatt die Beziehung dem Willen Gottes entsprechend fortzusetzen, wodurch Eva wieder zu Gott zurückgebracht werden hätte können, ließ sich Adam durch das betrügerische Liebesversprechen Evas aufgrund ihrer physischen Reize verführen. Er handelte nach seinen eigenen Wünschen; er verließ seine Position als Bruder Evas, um sich vorzeitig als ihr Gatte zu verhalten. Damit wurde die natürliche Herrschaft des Geistes über den Körper umgekehrt. In dieser Handlung erkennen wir das Auftreten des vierten Aspektes der gefallenen Natur: die Vermehrung der Sünde.

Warum war die Liebe Adams und Evas auf dieser Stufe eine Sünde? Die Sünde lag nicht in der Handlung an sich. Das Problem ist erstens, daß ihre Liebe aus der gefallenen Natur resultierte, die Satan initiiert hatte, und zweitens war sie vorzeitig. Gott wollte, daß Adam und Eva sich der Liebe in vollstem Umfang erfreuen können: er wollte in ihrer Liebe wohnen. Doch dies konnte nicht in Erfüllung gehen, solange sie noch nicht selbst auf der persönlichen Ebene die Liebe Gottes vollkommen erleben konnten. Niemals hatten Adam und Eva vor Erreichen der Vollkommenheit das Recht und das Privileg, in der Beziehung von Ehemann und Ehefrau ihre Freude zu vollenden.

Wie in der Natur alles seine Zeit hat, so ist es auch beim Menschen: Es gibt ein natürliches Gesetz - und ein Verstoß gegen dieses Gesetz ist ein Verstoß gegen den Willen Gottes. Eine unreife Frucht darf man nicht essen. Wenn sie aber einmal gepflückt ist, so kann sie nicht mehr zum Baum zurückkehren. Wenn die Unschuld einmal verloren ist, so kann sie nicht mehr zurückgewonnen werden. Die Kraft der verbotenen Liebesbeziehung zog Adam und Eva weg von Gott und rief in ihnen eine widersprüchliche Natur hervor, wobei ihr Geist empfänglich wurde für den Einfluß Satans.

Vor dem Fall waren Adam und Eva unschuldig und nackt und kannten kein Schamgefühl. Nach dem Fall flochten sie Feigenblätter zusammen und verdeckten damit ihre sexuellen Körperteile. Hätten sie durch das Essen einer tatsächlichen Frucht gesündigt, so hätten sie ihre Hände und den Mund verborgen, denn es entspricht dem Wesen des Menschen, das zu verstecken, dessen er sich schämt. "Wenn ich nach Menschenart meine Frevel verhehlte, meine Schuld verbarg in meiner Brust" (Ijob 31,33). Adam und Eva verbargen ihre sexuellen Körperteile, weil dies der Bereich ihrer Schande war.

Adam, der mit Eva Gottes wahre Liebe teilen sollte, war vorzeitig von Eva in den Bann gezogen worden. Eva gewann diesen Einfluß auf Adam durch ihre physischen Reize. Das war eine falsche, eine satanische Liebe. Auf diese Weise wurden Adam und Eva verdorben. Durch ihre unreife Liebe, die auf den Erzengel ausgerichtet war, kamen Geist und Körper in eine falsche Beziehung zueinander. Ihr Wachstum zur Reife war stehen geblieben und sie verloren ihren ursprünglichen Zustand der Sündenlosigkeit. Diese Verzerrung der ursprünglichen Natur wurde durch die sexuelle Liebe weitergegeben bis zum heutigen Tag und wiederholt sich täglich.

Die Folgen des Falles

Ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung hat einen absoluten Verlust des Segens Gottes zur Folge, und damit ist unsere Freude zerstört. Das Streben nach Liebe wird immer hoffnungsloser, schamloser und grotesker. Das wahre Glück ist zerstört und wird durch eine leere, flüchtige Freude ersetzt. Die Familie ist entwertet, sie ist oft nicht mehr als eine Ansammlung von Fremdlingen. Wenn wir nicht lernen, wie wir unsere Brüder und Schwestern lieben sollen, wie sollten wir dann die anderen Mitglieder der Menschheitsfamilie lieben können? Wenn wir nicht lernen, wie wir unsere eigenen Eltern wirklich lieben sollen, wie sollten wir dann Gott wirklich lieben können? Wenn wir nicht lernen, wie wir unsere eigenen Kinder lieben sollen, wie sollten wir dann Gottes Liebe zu uns verstehen können? Der Fall zerstörte alle menschlichen Liebesbeziehungen. Dies war die Tragödie des Menschen die ganze Geschichte hindurch.

     "Ich kann es nur immer wieder wiederholen, denn ich habe es nie
     anders gesehen, daß die Sexualität der Schlüssel des Problems der
     Psychoneurose und der allgemeinen Neurose ist."
     (Sigmund Freud, Drei Essays über die Theorie der Sexualität)

Unzucht ist schlimmer als Mord, denn sie zerstört nicht den zeitlich begrenzten Körper, sondern den ewigen Geist; und sie zerstört die Familie. Dadurch wird aber auch Gottes höchster Zweck der Schöpfung zerstört, und somit auch sein eigenes Glück. Dieser geistige Tod ist jener Tod, der aus dem Essen der Frucht folgte. Die Stelle in Offb 3,1 "An den Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: So spricht er, der die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat: Ich kenne deine Werke. Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot" zeigt, daß wir zwar physisch leben mögen, geistig jedoch tot sind. Der russische Mathematiker P. D. Ouspensky stimmt damit überein, wenn er schreibt:

     "Jedes Kind wird unter schlafende Menschen geboren und es fällt
     natürlich neben ihnen wieder in Schlaf. Ein Mensch verliert schon
     als Kind die Möglichkeit zu erwachen; er lebt sein ganzes Leben
     lang in Schlaf und er stirbt im Schlaf. Viele Menschen sterben
     lange vor ihrem physischen Tod".
     (In Search of the Miraculous, S. 144 -
     Auf der Suche nach dem Wunderbaren).

Gott möchte seine betäubten Kinder berühren und mit ihnen sein. Da wir jedoch im Strudel des physischen Lebens und im Selbstbetrug unseres eigenen Geistes gefangen sind, nehmen wir ihn kaum wahr. Gott geht es wie Eltern, deren Kind in Schmerze geboren wurde, deren Kind in Verzweiflung weint. Wir verfluchen Gott oft sogar wegen unserer Geburt. Wir sind unfähig, den Kummer Gottes zu erfassen: "Da reute es den Herrn, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh" (Gen 6,6).

Die Religionen haben versucht, für diese Situation Sühne zu leisten. Die Juden wurden von Gott zur Beschneidung angewiesen, wobei Blut des männlichen Geschlechtsteiles vergossen wird. Jesus sagte für jene, die Ohren haben zu hören: "Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht, und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelsreichs willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es!" (Mt 19,12). Paulus lehrte: "Wer seine Jungfrau heiratet, handelt also richtig; doch wer sie nicht heiratet, handelt besser" (1 Kor 7,38). Solche Anweisungen entsprechen nicht unserer natürlichen Lebensweise, sie sind jedoch notwendig als angemessenes Opfer für die Umkehr der Handlung des Sündenfalles. Alle großen Religionen lehren, daß Unzucht eine der schwersten Sünden sei, und daß Zölibat und physische Enthaltsamkeit notwendig seien für die Pilgerschaft auf dem Weg zu Gott.

Jeder Mensch wird in eine Familie hineingeboren, die von Gott getrennt ist. Selbst die Kreuzigung Jesu änderte nichts an dieser Tatsache. Das Problem der Sünde liegt bereits in der Zeugung jedes einzelnen von uns. "...alle ohne Ausnahme sind von ihrer Zeugung an befleckt; .. faule Äste kommen von einer faulen Wurzel..." (Johannes Calvin, Institutio).

Im Laufe der Geschichte mag die Menschheit Intellekt, Kulturen, Staatssysteme, Technologie und viele andere Dinge entwickelt haben. Die Geschichte hat jedoch gezeigt, daß diese Errungenschaften letztlich wieder verfallen. Warum? Weil sie auf "Sand" gebaut sind - getrennt von Gott. Sittenlosigkeit untergräbt letztlich alles, was wir erreichen, denn je beqümer die Zeiten werden, desto mehr nimmt diese Sünde überhand. Sexuelle Vergehen haben den Untergang vieler großer Männer und Nationen verursacht. Wie Nationen und Reiche, z. B. Rom, England und die USA, verbunden mit einer strengen Familienstruktur und moralischer Sittlichkeit, groß werden, so geht ihr Niedergang Hand in Hand mit einer Schwächung des Familienlebens und dem Aufkommen von Unmoral. Dem römischen Historiker Sueton zufolge führten neun von den zwölf Cäsaren ein sexuell ausschweifendes Leben, und der römische Adel war verstrickt in Unzucht, Sodomie und Homosexualität. Folgt unsere gegenwärtige Gesellschaft nicht demselben Weg? Ist die wachsende Billigung von Partnertausch, von vorehelichen geschlechtlichen Beziehungen und von Homosexualitält nur eine vorübergehende Modeerscheinung? Oder ist es ein Zeichen dafür, daß die Menschen Gott vergessen? "Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?" (Lk 12,56).

Wenn es in unseren Familien wirklich Liebe gäbe, so gäbe es keine Stadtguerillas, keine Flucht in die Vororte und keine Epedemien von Geschlechtskrankheiten. Unsere Gier nach materiellem Wohlstand läßt den Aufruf Jeremias an Babylon, z.B. für das heutige Amerika angemessen erscheinen: "Das Schwert (soll kommen) über seine Wasser, sie vertrocknen! Denn es ist ein Land voll von Götzenbildern, und durch die Schreckbilder werden sie toll" (Jer 50,38).

Egal, wie fortschrittlich eine Nation ist, wenn sie das Problem der ursprünglichen Sünde nicht lösen kann, wird sie letztlich verfallen, und im Mittelpunkt ihres Niederganges wird die sexuelle Unmoral stehen. Keine gefallene Gesellschaft kann diese Sünde unter Kontrolle bekommen.

Die Liebe in der Familie kommt von der Liebe zwischen den Eltern, doch die Männer und Frauen haben nie gelernt, wie sie einander in einer auf Gott ausgerichteten Weise lieben sollen. Damit zwischen Mann und Frau wahre Liebe entstehen kann, muß ein völlig neuer geistiger Lebensbereich auf Erden errichtet werden. Dies zu vollbringen ist die Aufgabe des Messias.

Das Wirken Satans

Vom Standpunkt des Sündenfalles aus ist "Sünde" jeder Gedanke oder jede Handlung, die Satan eine Möglichkeit gibt, uns anzuklagen, uns von Gott zu trennen und uns in eine Richtung gegen Gott zu stellen, ausgerichtet auf uns selbst. Bibel und Talmud bezeichnen Satan als den "Ankläger" und der erste Teil des Buches Ijob ist ein Beispiel dafür, wie Satan uns anklagt. Nachdem sie gesündigt hatten, konnten Adam und Eva nicht zu Gott zurückkehren, da Satan zwischen ihnen und Gott stand und sie wegen ihrer nicht den göttlichen Prinzipien entsprechenden Handlung anklagte. Die Anklage war begründet. Infolgedessen fühlten Adam und Eva Schuld, Scham und Reue und konnten Gott nicht ins Gesicht sehen.

Alle Menschen fühlen, bewußt oder unbewußt, dieselbe Entfremdung von Gott und damit auch voneinander. Wir neigen dazu, einander anzuklagen und klagen uns auch selbst an. Somit leben wir in einer geistigen Atmosphäre der gegenseitigen Beschuldigung aufgrund der ursprünglichen Sünde und der nachfolgenden Anhäufung weiterer Sünden. Dieses Böse wirkt auch auf unseren eigenen Körper und selbst auf die Schöpfung ein. Wir haben nur mehr wenig von der physischen Vitalität und der Glut, die Gott uns ursprünglich gegeben hat. Da wir außerdem die Schöpfung nicht mit Liebe behandeln, hat sie ihre ursprüngliche Balance, Schönheit und ihren Wert verloren. "Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen! Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln läßt er dir wachsen, und die Pflanzen des Feldes mußt du essen" (Gen 3,17-18).

Freiheit und Fall

Aufgrund des Sündenfalles verloren wir unsere wahre Freiheit. Jeder möchte gern frei sein, doch niemand ist wirklich frei. Wir bilden uns ein, daß uns finanzielle Sicherheit Freiheit geben könne, doch oft werden wir zu Sklaven des Geldes und noch unsicherer, da wir Angst haben, alles zu verlieren. In gleicher Weise verlangen Leute nach Drogen, Sex, Ruhm und Macht. Die Menschen glauben, daß solche Genüsse zur Freiheit führen würden. Wenn dem aber so wäre, warum leben dann gerade solche Leute, die all diese Dinge haben, oft in solcher Hoffnungslosigkeit und sterben auf so tragische Weise?

Wir betrachten Freiheit von zwei verschiedenen Standpunkten aus: einmal dem Geist und einmal dem Körper zugeordnet. Wenn der Geist wirklich frei ist, so strebt er natürlicherweise nach Gott und möchte sich im Schönen, Guten, Wahren und in der Liebe ausdrücken. Wenn der Körper wahrhaft frei ist, erwidert er natürlich und spontan dem Willen des Geistes. Ein wahrhaft freier Mensch setzt daher solche Handlungen, die ihn zu einer frohen Einheit mit Gott führen.

Solche Handlungen sind jene, die zum Wohl der anderen vollbracht werden. Es scheint paradox, aber je mehr wir anderen dienen, desto freier werden wir und desto mehr Freude fühlen wir von Gott. Darum sagt Jesus: "Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mt 20,28), und Paulus: "Aber Gott sei Dank! Ihr wahret Knechte der Sünde.... Frei von der Sünde, seid ihr Knechte der Gerechtigkeit geworden" (Röm 6,17-18). Der Weg zur Erkenntnis dieser Wahrheit ist der, sie zu leben. Aber normalerweise handeln wir nicht so. Ist es unsere Freiheit, die uns daran hindert, für andere zu leben? Nein, unser Mangel an Freiheit ist die Ursache dafür, daß wir egoistisch leben.

Viele Leute glauben, die Freiheit hätte den Sündenfall verursacht. Dies ist eine sehr pessimistische Sicht der menschlichen Situation. Wenn die Freiheit notwendigerweise die Sünde verursachen würde, dann wäre in einer freien Gesellschaft gar keine Ordnung möglich. Freilich: Gäbe es keine Freiheit, dann hätte der Sündenfall nicht geschehen können. Das bedeutet aber nicht, die Freiheit habe den Fall verursacht. Der Sündenfall wurde durch den Mißbrauch von Liebe verursacht, und es ist die wahre Liebe, die wir durch den Messias empfangen, die uns Erlösung und wahre Freiheit bringt.

Warum hat Gott in den Sündenfall nicht eingegriffen?

Wir mögen uns fragen, warum denn Gott nichts getan hat, um den Sündenfall zu verhindern. Er tat es deshalb nicht, weil zur gegebenen Zeit Adam und Eva selbst dafür verantwortlich waren, sich zu vervollkommnen, und zwar durch den Gehorsam gegenüber Gottes Wort, damit sie schließlich zu Mitschöpfern Gottes werden konnten. Wenn Gott in den Fall eingegriffen hätte, so hätte er damit die Bedeutung und den Wert seiner Kinder zerstört. Ihnen die Verantwortung wegzunehmen, hätte sein eigenes Prinzip verletzt.

Was immer mit Gott direkt zu tun hat, erhält denselben Wert wie eine Schöpfung Gottes. Wenn Gott in die Handlung des Sündenfalles eingegriffen hätte, so hätte die den Prinzipien Gottes widersprechende Handlung Satans, die den Fall verursachte, denselben Wert erhalten, als ob sie von Gott gemacht worden wäre. Dies hätte die Prinzipien wesentlich verändert und ein neues Prinzip wäre damit in Kraft getreten. Doch damit hätte außerdem Satan eine Position als Schöpfer, gleichrangig mit Gott, erhalten. Das ist der Grund, warum Gott in die Handlung Luzifers nicht eingegriffen hat.

Ebenso fragen wir auch, warum der Gott der Liebe den Fortbestand des Bösen und des Leidens in der Welt zuläßt? Da wir mit den Prinzipien, die der Harmonie des Universums zugrundeliegen, nicht im Einklang sind, erleben wir natürlich Störungen. Unsere Position als ordnendes und liebendes Zentrum des Kosmos bewirkt, daß unsere Unausgeglichenheit eine Ausgewogenheit des Ganzen gar nicht herbeiführen kann, und diese Unausgeglichenheit hat in der Geschichte ihren Einfluß bis zu einem Punkt gesteigert, wo sie bereits als eine unvermeidliche Realität erscheint. Naturkatastrophen treten auf regionaler Ebene auf, begleitet von Krankheiten, Hunger und Obdachlosigkeit. Auf persönlicher Ebene lassen Geburtsfehler, Geisteskrankheiten und durch Unfälle verursachte Todesfälle unser Leben zwecklos erscheinen, als ob es keine Gerechtigkeit gäbe im Universum, als ob Gott ein herzloses Wesen wäre und das Chaos die dominierende Kraft.

Der Gott des Guten kann nicht eingreifen, denn dadurch würde er uns die Freiheit, Verantwortung und Kreativität wegnehmen. Diese haben aber einen absoluten Wert in seiner Beziehung zu uns. Man stelle sich aber vor: Während viele aufgrund schmerzvoller Erfahrungen in ihrem Leben Gott verfluchen und zurückweisen, ist Gott wahrscheinlich derjenige, der am meisten leidet. Gott ist das Wesen der Harmonie, dessen Herz zerrissen ist wegen unserer Orientierungslosigkeit, wegen unserem bewußten und unbewußten Verstoß gegen die Harmonie, die sein Wesen ist.

Damit beschließen wir die Erklärung des Sündenfalles anhand der Vereinigungsprinzipien. Wir haben gesehen, wie das menschliche Leben, wie wir es bisher geführt haben, auf einer Verzerrung der ursprünglichen Schöpfungsprinzipien beruht und wie darum Glück und Freude einerseits so nahe scheinen und andererseits doch so trügerisch sind und unmöglich aufrechtzuerhalten. Durch das Verständnis der Details des Sündenfalls haben wir den Schlüssel zur Überwindung des Falles in uns selbst wie auch in unserer Welt.


(Zum nächsten Kapitel:Das Prinzip der Wiederherstellung) )