Gott konnte seine Kinder nicht in diesem elenden Zustand belassen, in den sie gefallen waren. Unmittelbar nach dem Fall begann er, seine Kinder zum ursprünglichen, sündenlosen Zustand wiederherzustellen. Um dies zu erreichen, hätte Gott einen sündenlosen Mann erschaffen müssen, durch den dieser Prozeß hätte beginnen können. Dieser Mann wäre der Messias, der zweite Adam. Es ist jedoch eine Folge des Sündenfalles, daß alle Menschen mit dem Makel der ursprünglichen Sünde geboren werden. Wo sollte es in der gefallenen Welt einen sündenlosen Menschen geben? Würde einer geboren werden, so wäre die Erziehung dieses Menschen in der sündenvollen Welt schwieriger als das Großziehen des ersten Adams in einer sündenlosen Welt. Adam fiel in einer sündenlosen Umwelt; man kann sich daher vorstellen, wie stark der neue Adam sein müßte, um sich in einer verderbten Umwelt durchzusetzen.
Dieser neue Adam wäre für Gott äußerst wertvoll. Er wäre der einzige Mensch, in dem Gott sein Abbild sehen könnte. Er wäre der einzige, der Satan völlig überwinden, die drei Segen erfüllen und allen Menschen den Weg dazu eröffnen könnte. Somit wäre er der zentrale Punkt, von dem aus die Wiederherstellung beginnen würde. Wie Gott in Adam die Saat für eine vollkommene Menschheit säen wollte, so wird er nach einem Mann suchen, der die neue Saat sein könnte ( Röm 5,17-19; 1 Kor 15,22). Die drei Segen zu erfüllen, ist das Ziel des neuen Adam, der der Messias, der Christus, der "Gesalbte" ist.
Im wesentlichen bedeutet die Wiederherstellung der Menschheit, den gefallenen Mann und die gefallene Frau zum Zustand der Vollkommenheit zu führen, ein irdisches Paradies zu schaffen und überall die Herrschaft Gottes zu errichten. Ein solches Unterfangen erfordert drastische und umfassende Änderungen in der Qualität und im Wesen unserer Regierung, Ökonomie, Technologie, Philosophie und Kultur. Wenn dies die Wiederherstellung auch als einen sehr säkularen Prozeß erscheinen läßt, so ist doch das Mittel, um dies zu erreichen, die völlige Neuschöpfung oder Heiligung des menschlichen Wesens. Das Königreich, von dem der Messias spricht, ist nicht nur eine äußere Struktur, die errichtet werden soll. Es ist relativ einfach, die Schuld für die Weltprobleme auf mangelhafte Regierungs- und Wirtschaftssysteme abzuschieben und zu glauben - wie es die Marxisten tun - daß eine wirkliche Änderung durch eine ledigliche Änderung in den äußeren Systemen erfolgen würde. Die Wurzel der menschlichen Probleme liegt im Herzen begründet. Eine echte Änderung muß daher dort beginnen. Der Ausdruck "Reich Gottes" bezieht sich auf eine irdische Situation, in der die Menschen fähig sind, aufgrund eines völligen inneren Wandels von Herz und Charakter ein tugendhaftes Leben zu führen. Jesus sagte zu den Pharisäern "Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: 'Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es'! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch" (Lk 17,20-21). Das Reich Gottes auf Erden entsteht durch die Wandlung der Menschen, indem sie zu selbstlosen, verantwortungsbewußten, auf Gott ausgerichteten Staatsbürgern werden.
Wo immer Gott den menschlichen Geist regiert, ist das Reich Gottes errichtet. Dies ist der eigentliche Zweck des Erlösungswerkes; es ist die Wiederherstellung der Menschen zu ihrem ursprünglichen Zweck und der wahren Art der Lebensführung; es ist die Auferstehung der Menschen vom geistigen Tod zu geistigem Leben; und es ist die Neuschöpfung des ursprünglichen Ideals des Reiches Gottes auf Erden. Nach diesem Ideal strebte Gott von Anfang an, und er wird nicht eher ruhen, bevor dieses Ziel erreicht ist.
"Ich bin Gott und sonst niemand, ich bin Gott, und niemand ist wie ich. Ich habe von Anfang an die Zukunft verkündet und lange vorher gesagt, was erst geschehen sollte. Ich sage: Mein Plan steht fest, und alles, was ich will, führe ich aus. Ich habe aus dem Osten einen Adler gerufen, aus einem fernen Land rief ich den Mann, den ich brauchte für meinen Plan. Ich habe es gesagt, und ich lasse es kommen. Ich habe es geplant, und ich führe es aus" (Jes 46, 9-11).
Konnte Gott den Messias in die Welt senden, ohne daß wir unsererseits Vorbereitungen dafür getroffen hätten? Wenn jemand ein wertvolles Haus bauen möchte, würde er nicht zuerst darauf achten, daß es ein starkes und dauerhaftes Fundament erhält? Ein Haus mit einem schwachen Fundament kann leicht einstürzen, und damit ist sein ganzer Wert verloren. Aus demselben Grund kann Gott einen zweiten Adam erst senden, wenn ein Fundament vorhanden ist, das seine Sicherheit und die optimale Erziehung gewährleistet. Dies sollte auch sein Vertrauen in unsere Loyalität ihm gegenüber und unsere Liebe füreinander miteinbeziehen. Daher sind die Prinzipien der Wiederherstellung oder "Neu-Schöpfung" von den Prinzipien der Schöpfung abgeleitet. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Wiederherstellung der ersten beiden Segen. Um dies durchzuführen, müßen wir die Handlungen des Sündenfalles ins genaue Gegenteil umkehren. Dies kann Gott nicht für uns tun. Er muß darauf warten, daß wir die "Wiedergutmachungsbedingung" erfüllen, bevor eine geeignete Vertrauensbasis zwischen Gott und seinen Kindern entstehen kann.
Dieses einfache Prinzip wird nun in einer gar nicht einfachen Situation angewandt. Der Mensch war niemals völlig eins mit Gott. Der Grad seiner weitesten Entwicklung im sündenlosen Zustand lag an einem Punkt auf dem Weg zur Vollkommenheit. An jenem Punkt verursachte die ursprüngliche Sünde den Fall, und die nachfolgenden Sünden trieben die Menschheit immer weiter weg von Gott, und der Weg zurück ist lange und kompliziert.
Wir befinden uns in einer "Mittelweg-Position" zwischen Gott und Satan, empfänglich für den Einfluß beider. Ob eine Person zu einer bestimmten Zeit von Gott oder von Satan beeinflußt wird, hängt davon ab, ob ihre Handlungen in Verbindung mit der Gnade Gottes stehen oder nicht. Gute Taten führen uns zu Gott, egoistische Taten führen uns dagegen auf die Seite Satans. Gott und Satan möchten uns gleichermaßen auf ihre Seite ziehen. Darum ist die Menschheitsgeschichte eine Widerspiegelung des Konfliktes zwischen Gott und Satan, wobei unsere Taten das Ergebnis bestimmen. Die Bedingungen müßen aus freiem Willen heraus oder durch die Macht der geschichtlichen Ereignisse geschaffen werden, wobei das Ziel das Kommen des Messias ist. Wir können den Messias dann empfangen, wenn wir aus eigener Anstrengung die Ebene der geistigen Entwicklung Adams und Evas vor dem Fall erreichen. Dies tun wir durch die persönliche und gesellschaftliche Wiederher stellung, jener zwei wesentlichen Bedingungen, die durch den Fall verlorengegangen waren.
Was Adam und Eva zuerst verloren, war der Glaube - der Glaube an das Wort Gottes, das Gebot. Außerdem ging die rechte Ordnung der Liebe verloren: Die Liebe von Gott zu Adam und Eva und durch Adam und Eva zum Erzengel. Diese beiden Bedingungen müßen erfüllt werden: die Bedingung des Glaubens und die Bedingung der wahren Rangordnung der Liebe. Diese Bedingungen bezeichnen wir als "Glaubensfundament" beziehungsweise als "substantielles Fundament".
Wenn wir diese beiden Bedingungen erfüllen, können wir den Punkt der Entwicklung zur Zeit des Falles wieder erreichen; doch diesen Punkt können wir solange nicht überwinden, bis wir von der ursprünglichen Sünde befreit sind. Die Befreiung von der ursprünglichen Sünde ist die Mission des Messias. Dadurch, daß wir das Glaubensfundament und das substantiellen Fundament schaffen, errichten wir das "Fundament für den Empfang des Messias".
Wenn wir uns mit dem Messias vereinigen, können wir geistig wiedergeboren und physisch erlöst werden. Damit wird die ursprüngliche Sünde, die aus dem geistigen Fall Evas und Luzifers und aus dem physischen Fall Adams und Evas folgt, entfernt. Somit werden wir zu wahren Kindern Gottes, in der Position Adams und Evas ohne Fall, und können unser natürliches Wachstum zur Vollkommenheit fortsetzen.
Gott und der Messias müßen eine neue Eva zur Vollkommenheit erziehen und das vollkommene Paar Adam und Eva errichten die erste, auf Gott ausgerichtete, wahre Familie: eine Familie göttlicher Abstammung ohne Sünde. Aus der Saat jener Familie, die die drei Segen Gottes erfüllt, wird das Reich Gottes auf Erden entspringen.
Jede religiöse Tradition enthält in irgendeiner Form den Begriff der Wieder gutmachung. Wiedergutmachung kann man mit der Buße in der römischkatholischen Tradition vergleichen, wo bestimmte freiwillige Taten als Entschädigung für die Sünde dargebracht werden. Weiters läßt sich die Wiedergutmachung mit dem hinduistisch-buddhistischen Begriff des Karma in Verbindung bringen, der lehrt, daß alle Taten durch vorangegangene Taten bedingt werden und gleichzeitig für spätere Taten bestimmend sind.
Wiedergutmachung entspricht auch dem Begriff der Sühne. Im Grunde bedeutet Sühne Versöhnung (wieder zum Sohn werden); Sühne ist der Weg, wie wir mit Gott eins werden. Im hebräischen Brauchtum bedeutet Sühne Beschwichtigung Gottes durch Sühneopfer, wobei ein "sündenloses" Tier als Repräsentant der Sünden einer Person als Opfer dargebracht wurde. Dies führte zur christlichen Vorstellung, nach der Christus als Unschuldiger all unsere Sünden auf sich nimmt und stellvertretend für uns den Tod erleidet. Aus einer anderen Sicht betrachtete man den Tod Jesu als Bezahlung oder Lösegeld für den Teufel, um die Menschheit loszukaufen. Andere wieder sahen die Kreuzigung als "Genugtuung" für einen Gott, der solange nicht entschädigt war, solange nicht sein eigenes unendliches Leid durch das unendliche Leid eines vollkommenen Menschen aufgehoben wurde. Andere betrachteten Sühne dadurch als geleistet, daß Jesus die Macht Satans brach, oder daß wir einfach dem Beispiel Jesu von einem vollkommenen Leben nachfolgen.
Der Begriff der Wiedergutmachung ist das Prinzip, das all diesen traditionellen Ideen von Sühne zugrundeliegt. Sie konzentrieren sich auf die Kreuzigung, weil sie die zentrale Sühnetat der Menschheitsgeschichte darstellt; wir wenden jedoch die Vorstellung der Wiedergutmachung darauf an, was vor und nach der Kreuzigung geschah, um den Vorbereitungsprozeß für das Kommen des Messias besser zu verstehen, in den alle Menschen miteingeschlossen sind.
Gott wirkt überall, durch viele Religionen und Menschen, aber er arbeitet immer durch einen zentralen Punkt, in dem all die verschiedenen Erscheinungen seines Werkes dynamisch verbunden werden können. Dieser zentrale Punkt ist der Christus, der Gesalbte. Der Messias beginnt als Einzelmensch, als zweiter Adam. Aber wie Adam die Liebe Gottes weitertragen sollte durch seine Familie, Gesellschaft, Nation bis auf die weltweite Ebene, so soll auch der Messias die Liebe Gottes durch seine Ehe und Familie weitergeben. Er macht einfach das, was Adam hätte tun sollen. Seine Familie ist der zentrale Punkt oder Messias für die Gesellschaft. Diese Gesellschaft wird Messias für die Nation als zentrale oder messianische Nation für die Wiederherstellung der Welt.
Das Glaubensfundament wurde durch viele Taten religiöser Menschen in der Geschichte gelegt. Diese Taten des Glaubens umschlossen Opferungen, Fastenperioden, Gebet, Pilgerfahrten und dergleichen. Normalerweise waren dies Taten der Reinigung und Trennung von den gefallenen Aspekten der Welt. Viele solcher Taten scheinen unausführbar, geschahen jedoch in getreuer Befolgung des Gebotes Gottes. Das Glaubensfundament ist eine Wiedergutmachungsbedingung, durch die wir Adams und Evas Sünde des Versagens im Glauben an das göttliche Gebot umkehren.
Auf der Grundlage des Glaubensfundamentes muß von zwei Menschen, zwei Gruppen oder einer Einzelperson und einer Gruppe das substantielle Fundament gelegt werden. Die hier wirksamen Prinzipien können auch in dem Trend beobachtet werden, der sich durch die ganze biblische Geschichte zieht, wo es Kämpfe zwischen Menschen gab, die anscheinend von Gott mehr geliebt wurden, und solchen, die von Gott anscheinend weniger geliebt wurden. Beispiele sind Kain und Abel, Esau und Jakob, Saul und David, und die Nation Israel mit ihren vielen Feinden.
Das substantielle Fundament wird nicht dadurch erfüllt, wenn eine Seite die andere gewaltsam unterwirft, sondern wenn beide Seiten in Liebe vereinigt sind.
Die Person oder Gruppe, die anscheinend von Gott mehr geliebt wird, ist normalerweise jünger hinsichtlich Alter oder Entwicklung als jene, die von Gott anscheinend weniger geliebt wird. Selbstverständlich ist die Liebe Gottes letztlich für alle seine Kinder gleich. In besonderen Situationen ist es jedoch Gottes Vorrecht, manche Menschen aus Gründen der Wiederherstellung anderen vorzuziehen.
Warum ist die jüngere Seite gegenüber der älteren typisch bevorzugt? Ein Grund liegt darin, daß das, was wiederhergestellt wird, die Positionen von Adam und dem Erzengel (Luzifer) sind. Die Engel waren vor Mann und Frau erschaffen worden, daher sind wir "jünger" als die Engel. Da wir als Gottes Kinder Gott näher stehen als Engel, die Seine Diener sind, hat sich Gott entschieden, durch die jüngere Seite, die Adam repräsentiert, zu arbeiten. Außerdem entspricht es eher der älteren Seite, die stärkere, erfahrenere, reifere und fähigere zu sein als die jüngere.
Darum neigt die ältere Seite eher dazu, die Gefühle des Erzengels zu teilen, der auch erfahrener und reifer war als Adam. Weiters waren der Engel, Mann und Frau allesamt zwar schuldig, doch die Sünde des Erzengels war ein gröberer Verstoß gegen die göttlichen Prinzipien als die Tat des Menschen. Adam und Eva waren zumindest von Gott dafür vorgesehen, eines Tages die eheliche Beziehung einzugehen. Aus diesen Gründen steht der Erstgeborene oder Ältere in der Position des Erzengels und damit weiter von der Begünstigung Gottes entfernt als der zweit geborene Sohn.
Adam und Eva sollten die wahre Herrschaft über die Schöpfung antreten und für sie sorgen, einschließlich der Engel. Diese Beziehung wurde durch den Fall gestört. Nun wurden die Menschen durch den Engel beherrscht und damit in die Position des Dieners gedrängt. Genau das ist die falsche Rangordnung, die wir umzukehren trachten. Die ganze Geschichte hindurch arbeitete Gott mit Einzelpersonen oder Gruppen in solchen Positionen, die Adam und den Engel symbolisierten. Gott strebt durch sie eine Umkehr der gefallenen Beziehung an. Die Seite des Engels soll die Liebe und Führung Gottes durch die Adamseite erhalten. Adams Verantwortung ist es, demütig, aber stark zu sein in seiner Aufgabe, den Engel der Liebe Gottes näherzubringen.
Wie schon festgestellt wurde, ist es nicht Gottes letztliche Absicht, eine Seite der anderen vorzuziehen. Sein Wunsch ist es, daß beide ihre Rollen erfüllen, damit er beiden seinen Segen geben kann. Saul war dazu von Gott auserwählt worden, König über die Israeliten zu sein, eine Position, die Adam symbolisiert. Als jedoch Saul Gott und dem Volk gegenüber versagte, wurde er durch David ersetzt (1 Sam 15,11-30). Die häufigsten Ursachen für das Versagen in der Adamsposition ist Arroganz und unangemessene Überheblichkeit aufgrund eines egoistischen Besitzanspruches (selfish reception) des Segens Gottes. In der Adamposition zu stehen bedeutet nicht notwendigerweise, bedingungslos in Gottes Gunst zu stehen. Man muß sich diese Gunst verdienen, indem man seinen Auftrag erfüllt.
In gleicher Weise bedeutet die Erzengelposition nicht notwendigerweise, daß man bei Gott in Ungnade steht. Auch die Erfüllung dieser Rolle bringt Verherrlichung. So stand zum Beispiel Esau in der Erzengelposition (Röm 9,10-13). Die Person in der Position des Engels ist dazu gezwungen, mit den Gefühlen des Engels fertig zu werden und sie zu überwinden, da sie anscheinend von Gott weniger Liebe erhält als die Person in der Position Adams. Esau überwand die Gefühle des Engels, indem er mit Jakob eins wurde, und Gott segnete ihn, indem er ihm und seinen Nachkommen Edom gab, einen Teil des Landes, das er Jakob versprochen hatte. Gottes Absicht ist es, beide Parteien zu segnen, wenn jede ihre Mission erfüllt.
Hier können wir den Begriff "Prädestination" erwähnen. Gott prädestiniert zwei Menschen oder Menschengruppen in ihrer wechselseitigen Beziehung zueinander für die Rollen von Adam und dem Engel und hofft, daß sie ihre Aufgabe erfüllen und das Fundament für den Empfang des Messias errichten. Erfolg oder Versagen hängen jedoch von unserer Erwiderung ab. Wenn beide Positionen in der Erfüllung ihrer Verantwortung erfolgreich sind, werden beide verherrlicht. Wenn einer der beiden Teile jedoch versagt, so ist das ein Fehler für die gesamte Situation. Dann geht die Vorsehung weiter durch die Geschichte, bis eine andere Situation eintritt, in der dieselben Bedingungen gegeben sind. Dies wird durch die Erwählung Seths nach dem Tod Abels illustriert und durch das Gleichnis Jesu vom Weinberg (Mk 12,1-9), wo Jesus darauf hinweist, daß der Segen Gottes jenen weggenommen wird, die ihn mißbrauchen.
Gott kennt die Konsequenzen unserer Taten, aber er kann nicht im vorhinein wissen, was wir tun werden. Das liegt an uns. Gottes Prädestination bezieht sich auf die Errichtung einer idealen Welt, wieviel Zeit für diesen Prozeß jedoch erforderlich ist, hängt von unseren Taten ab. Unser Versagen ist der Grund für die verlängerte Geschichte des Bösen und des Leidens.
Eine andere Möglichkeit, die Rollen von Adam und dem Erzengel zu verstehen, liegt darin, sie in Beziehung zu bringen mit dem Vorgang von Ursprung, Teilung und Vereinigung. Darin verwendet Gott die Aufteilung als Mittel, um eine harmonische Einheit entstehen zu lassen. Die Wiederherstellung erfolgt durch die Einheit in Liebe und Ziel zwischen der Seite Adams und der Seite des Erzengels. Durch diesen Prozeß der Vereinigung wird die ganze Welt in einen Zustand gebracht, in dem sie bereit ist, den Messias zu empfangen.
Wir erkennen an, daß Kämpfe zwischen einer relativ guten und einer relativ bösen Seite stattfinden, behaupten jedoch, daß diese Kämpfe nicht die primäre Hoffnung Gottes darstellen. Sie treten nur durch das Versagen auf, Einheit oder Fortschritt bei der Erfüllung des Willens Gottes durch andere Mittel zu erreichen. Der endgültige Friede wird niemals aus einem Kampf entspringen, und ein Kampf verursacht normalerweise ebensoviel Böses wie Gutes im Verlauf der Geschichte. Darum betrachten wir den marxistisch-leninistischen Glauben an den gewaltsamen Konflikt als beschränkt und irreführend. Marx interpretierte Kampf im Sinne des Kampfes einer unterdrückten Klasse gegenüber einem Unterdrücker, wobei die Lösung letztlich nur durch eine gewaltsame Revolution zu erreichen sei, indem die unterdrückte die unterdrückende Klasse und deren Existenzgrundlagen vernichtet. Es ist tragisch, daß das Christentum, das die Seite des Guten repräsentiert, durch Unverantwortlichkeit und Egoismus die Existenz solcher Bedingungen zuläßt. Die Marxisten behaupten jedoch, diese Unverantwortlichkeit sei unvermeidlich und benützen diese Interpretation als eine Erklärung, um gewaltsame Umstürze im Namen des geschichtlichen Fortschritts zu unterstützen und durchführen zu können. Die marxistische Beschreibung der sozialen Geschichte scheint lückenlos zu sein und sieht sogar attraktiv aus, es fehlt ihr jedoch das wahre Verständnis der geistigen Aspekte der menschlichen Konflikte und der Versöhnung. Die Vereinigungsprinzipien lehren, daß Einheit durch Versöhnung die einzige Lösung für die heutigen Kämpfe in der Welt ist. Versöhnung im Herzen Gottes bringt den endgültigen Frieden.
Wir können den Vorgang der Rollenverteilung in Adams Familie als Versuch betrachten, das Fundament für den Empfang des Messias zu legen.
Adam, der für den Fall verantwortlich war, konnte nicht direkt selbst seine eigene Position als Sohn Gottes wiederherstellen, stattdessen sollte dies durch zwei seiner Söhne geschehen. Kain, der erste Sohn Adams, stand in der Position, die das erst-erschaffene Wesen repräsentiert, nämlich Luzifer. Aus den vorher erwähnten Gründen warnte Gott Kain vor der Sünde, die vor der Tür lauere (Gen 4,7). Der Zweitgeborene, Abel, stand in jener Position, in der er das zweiterschaffene Wesen repräsentierte: Adam. Abel repräsentierte die zweite, weniger sündhafte Tat: die "Liebe" zwischen Adam und Eva. Darum arbeitete Gott durch Abel und erwartete von ihm, daß er das Glaubensfundament legte. Abel erfüllte dies, indem er sein Opfer richtig darbrachte. Als nächstes war Abel nun dafür verantwortlich, die wahre Beziehung von Adam und dem Erzengel herzustellen, indem er als Kanal der Liebe Gottes für Kain diente. Abel sollte für Kain als derjenige da sein, durch den Kain sein Opfer Gott darbringen konnte. Durch die dienende Haltung Abels sollte Kain die Führung und das elterliche Herz Gottes erfahren. Darum hätten in Kain und Abel die ursprünglichen Positionen von Adam und dem Erzengel wiederhergestellt werden können. Um Abel zu lieben, mußte Kain seine gefallene Natur überwinden und damit hätte er auch die Anklage Satans überwunden.
Wegen der allgemeingültigen Charakteristik der Kain-Abel-Situation und weil es der erste Versuch war, den Fall wiederherzustellen, werden wir jeden Versuch der Wiederherstellung der Adam- und Erzengelposition als "Kain- und Abel-Beziehung" bezeichnen.
Durch Kain und Abel hätten die Bedingungen des Glaubens und der Liebe erfüllt werden können. Damit wären die Positionen von Adam und Luzifer wiederhergestellt und das Fundament für den Messias gelegt worden.
"Kain sprach zu seinem Bruder Abel: Gehen wir aufs Feld! Als sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und erschlug ihn. Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er entgegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders? Der Herr sprach: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden" (Gen 4,8-10).
Und durch die Zeitalter der Geschichte hindurch scholl es: "Bin ich der Hüter meines Bruders ?" "Nein!" ist die häufigste Antwort. Wir haben Unterschiede in Sprache, Religion, Politik, Hautfarbe und sozialen Klassen als Vorwand genommen, um unseren Mangel an Verständnis für die Situation unseres Bruders zu recht fertigen.
Den gesamten Verlauf der Geschichte hindurch blieb das Prinzip unverändert: Abel erfüllt seine Position durch die Opferung zu Gott, indem er Sein Wort befolgt und sich dann selbst für Kain opfert. Kains demütige Erwiderung vereint die beiden Brüder und bringt sie gemeinsam zu Gott. Auf diesem Fundament kann der Messias kommen. Die Bibel ist der Bericht des Hauptstromes dieser Geschichte.
Um die Beziehung von Adam und Eva wiederherzustellen, ist der Messias notwendig. Um den Messias zu empfangen, ist die Wiederherstellung von Kain und Abel erforderlich. Darin begründet sich das allgemeine menschliche Streben, einen Abel zu finden, sowie auch die allgemeine Schwierigkeit der Menschen, einem Abel zu folgen, was aus ihrer gefallenen Natur resultiert.
Wir verweisen auf den Fall Jesu, der letztlich als unser Abel kam, der zweite Adam, und doch zurückgewiesen wurde. Aus dem Blickwinkel der Prinzipien der Wiederherstellung können wir eine neue Dimension in den biblischen Erzählungen erkennen. Diese Geschichten können nicht mehr länger als zusammenhanglose Ereignisse betrachtet werden, sondern sie bilden einen fortlaufenden Bericht der Geschichte Gottes, wie Er die Menschheit für die Erlösung vorbereitet. Wir können in allen Berichten gemeinsame Elemente erkennen, die Bindeglieder innerhalb der viertausend Jahre biblischer Geschichte bilden.
Diese viertausend Jahre entsprechen offensichtlich nicht genau viertausend geschichtlicher Jahre. Das spielt aber keine Rolle, denn der Zweck der Bibel ist es nicht, ein wissenschaftliches Werk der Geschichte, sondern vielmehr ein religions geschichtliches Werk zu sein. Diese Betrachtungsweise betont mehr die inneren Verhaltensmuster und den göttlichen Zweck, als exakte Daten. Dies soll keine Herabwürdigung einer anderen Methode darstellen. Wie gesagt sind Wissenschaft und Religion nicht unversöhnlich einander entgegengesetzt. Sie beschreiben dieselbe Situation von zwei verschiedenen Perspektiven. Was die wissenschaftlichen Methoden betrifft, so scheinen archäologische Funde die Authentizität des biblischen Berichtes zu bestätigen. Nichts Wesentliches wurde bisher gefunden, das die Möglichkeit der tatsächlichen Ereignisse widerlegt hätte. Natürlich geht die Bestätigung der spezifischen Details der Berichte über den Rahmen der Archäologie hinaus. Trotzdem stimmt die allgemeine kulturelle Situation im Alten-Testament- Zeitalter, wie sie durch die Archäologie beschrieben wird, mit dem Lebensbild in der Bibel überein. Außerdem beschreiben diese biblischen Berichte Themen in Übereinstimmung mit den Prinzipien, von denen wir angenommen haben, daß Gott sie anwendet. Darum betrachten wir diese Geschichten in etwa als wahre historische Ereignisse. Tiefere und detailliertere Erklärungen davon sind in anderen Publikatio nen der Vereinigungskirche zu finden.
Gott wartet ständig darauf, daß wir das Glaubens- und das substantielle Fundament erfüllen, um das Fundament für den Messias zu legen. Dies kam schon im Falle von Kain und Abel deutlich zum Ausdruck. Das sorgfältige Studium der Bibel wird auch in anderen Geschichten das Wirken dieser Prinzipien aufzeigen.
In der Geschichte von Noah sehen wir einen Adam, der dazu berufen wird, einen unerschütterlichen Glauben inmitten einer dekadenten Gesellschaft zu zeigen. Das Glaubensfundament war der Bau der Arche, ohne sich im geringsten zu beklagen. Das substantielle Fundament sollte dann von Noahs Söhnen in der Position von Kain und Abel erfüllt werden. Daß dabei jedoch irgendein Fehler unterlaufen sein muß, geht aus Noahs Fluch über seinen zweiten Sohn Ham hervor (Gen 9,20-25).
Die Vorsehung wurde bis zur Zeit Abrahams verlängert, wo dieselben Bedingungen erfüllt werden mußten. Wir stellen die ungelöste Kain-Abel-Beziehung zwischen Ismäl und Isaak fest, sowie die Ausweitung dieses Ringens unter ihren Nachkommen, den Arabern und den Isrealis.
Abraham und Isaak erfüllten das Glaubensfundament durch die beabsichtigte Opferung Isaaks auf dem Berge Moria. Darum hatten Isaaks Söhne, Esau und Jakob, die Möglichkeit, das substantielle Fundament zu erfüllen. In der Geschichte von Jakob und Esau sehen wir zum ersten Mal den besonderen Fall, wie der zweite Sohn den Segen Gottes erwirbt und dann durch die Anwendung dieses Segens in Demut und Loyalität den älteren Bruder zur Gunst Gottes zurückführt (Gen 33,1-11). Durch diesen Erfolg der beiden Brüder wurde das Fundament für den Empfang des Messias auf der Familienebene errichtet; es bedeutete Gottes ersten festen Stand auf Erden. Jakob wurde ein neuer Name gegeben, Israel, und aus seinen Nachkommen entsprang die Nation Israel, womit sich Gottes Versprechen für Abraham erfüllte.
Doch Gott möchte nicht nur eine Familie erlösen. Er möchte alle Nationen und Völker erlösen, und kein einziger Mensch soll davon ausgeschlossen sein. Letztlich braucht Gott das Glaubensfundament einer Nation, und auf der Grundlage dieses Glaubens kann die Wiederherstellung des Kain-Abel-Versagens auf nationaler Ebene erfolgen. Wenn dies erfüllt ist, kann der Messias auf dem Fundament einer Nation kommen und auf dieser Ebene sofort wirksam werden. Zur Zeit der Entstehung des Volkes Israel wurde die Vorsehung auf eine komplexere Ebene übertragen. Anstelle von Einzelpersonen mußten nun ganze Nationen ihr Fundament durch die Einheit mit ihren Führern errichten. Die Ausbreitung der Nachkommen Abrahams in Ägypten und die Geschichte von Mose ist das erste Beispiel dafür. Die Eigenschaft, die Gott von den Israeliten im Laufe ihrer Geschichte ständig erwartete, war ihr standhafter Glaube und ihre Einheit mit seinen Geboten und den erwählten Wortführern.
Im Grunde genommen geht es in allen wichtigen Situationen in der Bibel um die Sorge Gottes, daß sein auserwähltes Volk das Fundament des Glaubens und der Einheit erfüllt. Das Volk ist in dem Sinne "auserwählt", als es letztlich die Abel- Nation ist. Die Abel-Nation soll die Kain-Nationen dem Willen Gottes durch demütige, jedoch standfeste Führung und Selbstaufopferung näherbringen. Was Gott brauchte, war ein nationales Fundament, auf dem der Messias stehen und Fortschritte machen konnte. Der Messias würde genügend nationale Unterstützung zu seinen Lebzeiten benötigen, um den substantiellen Beginn des Reiches Gottes zu er möglichen. Wenn das Fundament stark genug wäre, könnte das Senfkorn, das auszustreuen der Messias kam, zu einem großen Baum wachsen, dessen Zweige sich über alle Nationen ausbreiten würden. Das war Gottes Hoffnung während seiner zweitausendjährigen Arbeit mit der Nation Israel.
Die Zeit Jesu war die Zeit des Höhepunktes des Fortschritts in allen Bereichen der menschlichen Zivilisation durch Jahrhunderte. Es war ein beispielloser Aufstieg hinsichtlich menschlicher Errungenschaften, der zu einer Welt hätte führen können, die an Herz und Körper substantiell wiederhergestellt gewesen wäre. Gottes Absicht war es, daß Jesus durch seine Rolle und Gegenwart als Messias die zentrale Person sein sollte. Es wurde schon vorher erklärt, daß Kain sich durch Abel mit der Sache Gottes hätte vereinigen sollen. Die griechisch-römische Zivilisation sollte sich mit der Sache Gottes durch das Volk Israel vereinigen, das auf Jesus ausgerichtet ist, um das Werk des Messias zu beschleunigen und zu begünstigen.
Es ist wichtig, in Betracht zu ziehen, was in der Welt während der Jahrhunderte geschah, die dem Kommen Jesu vorhergingen. Vier wesentliche Propheten traten zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft im 6. Jhdt. vor Chr. in Israel auf. Sie sprachen vom Kommen des Herrn und von der Erfüllung des Versprechens Gottes an Israel. Diese Hoffnung auf Befreiung stärkte das Judentum bis zur Zeit Jesu.
Zur selben Zeit lehrte in Indien Gautama Buddha (563 - 483 v. Chr.) die Botschaft von einer neuen Freiheit, die in Mäßigkeit und Selbstaufopferung zu finden sei:
Glaubt nichts, oh Mönche, nur deshalb, weil es euch so gesagt wurde ... oder weil es Tradition ist, oder weil ihr es euch so gedacht habt. Aber was immer ihr nach genauer Prüfung und Analyse für das Gute förderlich befindet, zum Nutzen und Wohl aller Wesen - diese Lehre glaubt, an sie haltet euch und nehmt sie zur Führung.
Konfuzius (551-479 v. Chr.) sprach in China davon, daß das wahrhaft Gute "dem Herzen des Menschen entspringt. Alle Menschen werden gut geboren". Er wandte diesen Optimismus auf eine Familienethik an, die eine ganze Gesellschaft zu kindlicher Ehrfurcht und Loyalität motivieren sollte. Auch Lao Tse lehrte in China im 6. Jhdt. v. Chr., obwohl er von der besonderen jüdischen Erwartung des Messias nichts wußte, daß "durch den Zufall des Glücks ein Mensch die Welt eine Zeitlang regieren mag, aber durch die Tugend der Liebe mag er die Welt auf immer regieren."
Ebenfalls im 6.Jhdt.v.Chr. errichtete Mahavira (599-527 v. Chr.) substantiell den Jainismus in Indien, wobei er die völlige Abkehr von der Welt betonte. Zur selben Zeit gründete Zarathustra (628-551 v. Chr.) in Persien eine einflußreiche Religion, den Zoroastrismus, durch den die Juden viele geistige Wahrheiten verstehen lernten.
Obgleich wichtig in ihren einzigartigen Lehren und Beiträgen zu ihren eigenen Kulturen, lag die größte Bedeutung dieser Männer darin, daß sie ihre jeweilige Kultur auf den Empfang des Messias vorbereiteten. All diese wichtigen Religionen kannten solch eine zentrale Person, deren Kommen sie erwarteten. Für die Buddhisten war es Maitreya Buddha, die Konfuzianisten erwarteten den "wahren Menschen", die Jainisten den Tirthankara, die Hindus einen "Avatar" und die Anhänger des Zoroastrismus den "Saoshyans". Gottes Hoffnung war es, daß Jesus letztlich die zentrale Rolle für die Vollendung jeder Religion erfüllen würde. Darum führte Gott alle Kulturen zu einem Bewußtsein, das für die Person und Botschaft Jesu empfänglich war. Sogar in Amerika lebten damals die Azteken, Inkas und zahllose nordamerikanische Indianerstämme in der Erwartung eines weißen Erlösers, der von jenseits des Meeres kommen sollte.
Wie wir bereits im Prinzip der Schöpfung erklärten, kommt unsere Vollendung durch die Einheit von inneren und äußeren Aspekten zustande; das trifft sowohl im Bereich des Einzelmenschen, in der harmonischen Beziehung zwischen Geist und Körper zu, als auch im nationalen und weltweiten Bereich, in der harmonischen Beziehung zwischen Religion und Wissenschaft. In Gottes Vorsehung treten Menschen und Nationen auf, die den Zweck haben, diese verschiedenen Aspekte der Wahrheit zu entwickeln, um dadurch für den letztlichen Zweck, der Einheit und Befreiung, dienlich zu sein. In der idealen Welt arbeiten Religion und Wissenschaft harmonisch zusammen. Der Hellenismus, der eine äußere Blüte des menschlichen Potentials darstellt, und das Hebräertum, das sich mit Innerem und Geistigem beschäftigt, stehen zueinander in einer Kain-Abel-Beziehung.
Das goldene Zeitalter der hellenistischen Entwicklung begann im 5.Jhdt.v.Chr. in Griechenland durch ein ungewöhnliches Aufblühen von Kunst, Philosophie, Literatur, Architektur, Medizin und der Naturwissenschaften. Der Anfang war durch ein plötzliches Aufkommen einer Zuversicht und Freude über die Schönheit und Fähigkeiten der menschlichen Natur gekennzeichnet.
Sokrates (469-399 v.Chr.), Plato (427-347 v.Chr.) und Aristoteles (384-322 v.Chr.) erweiterten in einer einzigartig geschlossenen und wirkungsvollen Periode das menschliche Wissen und die menschlichen Ideale, wie es zu keiner anderen Zeit in der Geschichte der Fall war. Diese drei Größen sind die Vorläufer des Denkens der westlichen Zivilisation, das schließlich zu einer Explosion des religiösen Glaubens, der Philosophie und des wissenschaftlichen Fortschritts führte. Diese Blütezeit in Griechenland zeitigte ihre Früchte im Römischen Reich, mit seiner fortgeschrittenen Technologie, seiner Verwaltung und Rechtsprechung sowie in der Organisation des Weltreiches. Die Römische Welt lebte 200 Jahre in relativem Frieden und Wohl stand. Diese hellenistische Entwicklung ist ein notwendiger und wunderbarer Aspekt des menschlichen Fortschritts.
Das Hebräertum repräsentiert die andere, mehr innere Seite des menschlichen Lebens. Zur Zeit des Römischen Reiches wurde es von der Nation und der Religion Israels getragen. Israel behauptete sich in seiner Position als auserwählte Nation durch seinen Glauben an den einen Gott, seine tiefe prophetische Tradition, seine Tempel- und Synagogensysteme und durch seine allgemeine Religiösität und moralische Einstellung.
Da sich von vornherein der Hellenismus mehr mit menschlichen Belangen befaßte und das Hebräertum sich mehr mit Gott und Gottes Belangen auseinandersetzte, arbeitete Gott durch das Hebräertum als Abel, um den Hellenismus als Kain zu erreichen. Wir sagen damit nicht, daß eine Seite besser oder rechtschaffener ist als die andere; sie repräsentieren eben nur verschiedene Aspekte, die gleich wichtig für die Entwicklung des menschlichen Lebens sind.
Diese Entwicklung sollte die Mission des Messias, alle Menschen unter Gott zu vereinen, begünstigen. Die Siege Alexanders des Großen (356-323 v.Chr.) dreihundert Jahre vor Jesus, waren ein Anfang für die Vereinigung der Welt, indem nationale und rassische Schranken niedergeworfen wurden. Die Kommunikation, Sprache, das Transportwesen und ein Höhepunkt in der kulturellen Entwicklung bildeten die Voraussetzungen für die Übermittlung der Botschaft des Messias. Im Entstehen mystischer, orientalischer Religionen drückte sich die suchende und oft irregeleitete Sehnsucht der heidnischen Welt aus. Die jüdische Diaspora breitete sich im Mittelmeerraum aus und errichtete so Aussenstellen für die Tradition des auserwählten Volkes.
Das Volk Israel war für den Empfang des Messias vorbereitet, nachdem es Jahrhunderte gedauert hatte, bis Gott seinem Glauben und Gehorsam trauen konnte. Seit der Zeit des jüdischen Exils in Babylon (ab 586 v.Chr.) nahm die Erwartung und Sehnsucht nach dem Messias in Israel ständig zu. Diese Sehnsucht wurde später noch weiter gesteigert durch ein Jahrhundert der Freiheit, hervorgebracht durch die erfolgreiche und heldenhafte Revolte der Makkabäer gegen ihre Unterdrücker, die Seleukiden. Mit dem Beginn der römischen Herrschaft im Jahre 63 v.Chr. wuchs ihre Sehnsucht nach Befreiung ständig in ihren Herzen. Sie hatten große Hoffnung sowohl auf eine apokalyptische Erlösung, als auch auf eine irdische, politische Befreiung.
Weitverbreitete Literatur, wie das Buch Daniel etwa, bestärkte die Vorstellung von einem Messias, der auf den Wolken des Himmels mit einem Heer von Engeln kommt, um die Feinde Israels zu vernichten und ein letztes Gericht über die Welt zu bringen. Es gab sogar eine Partei von religiösen Patrioten, die Zeloten, die die Vorstellung hatten, daß das Reich Gottes durch irdische Kämpfe und Revolten zustandekäme. Viele Menschen traten den asketischen Essenern bei und zogen sich von der Welt zurück, indem sie in religiösen Gemeinschaften lebten. Das Ideal vom Gesetz und vom Tempel wurde von der hingebungsvollen Tradition der Pharisäer gefördert. Die aristokratischen Sadduzäer waren hingegen eine hellenistische Gemeinschaft in Israel, denen die Obhut über den Tempel unterlag, der wichtigsten religiösen Einrichtung der Nation. Sie waren der Angelpunkt, durch den die jüdisch- römische Köxistenz und Zusammenarbeit möglich war. Die "Am-ha-Arez", oder "Menschen des Landes", gehorchten der Moral der Propheten, hatten in ihrem Herzen die Psalmen der Hoffnung und waren sich dessen gewiß, daß Gottes Versprechen von einem Erlöser in Israel eingelöst würde. All diese vermischten Kräfte wirkten in Israel, als Jesus kam.
In dieser Zeit der Pax Romana (des römischen Friedens) schien es, daß jeder Mensch auf der Welt große Erwartungen in die Zukunft setzte. Am Beginn der Augustäischen Periode prophezeite Vergil (70-19 v.Chr.) in der Äneis, daß ein Retter als göttliches Kind auf die Erde herabkommen würde, der die Sünden der Vergangen heit tilgen und das goldene Zeitalter beginnen würde. Diese Botschaft wurde von vielen Dichtern aufgegriffen und Julius Cäsar, Pompejus und Augustus Cäsar wurden von den Menschen als der "präsens divus", der Gott auf Erden, betrachtet. Die Figur des Erlösers als Kaiser war maßgebend für die Vereinigung der verschiedenen Teile des Reiches. Es war ein Zeitalter mit großzügigen gesellschaftlichen Freiheiten, und die Menschen suchten, ganz ähnlich wie heute, nach einem wahren Sinn und einer Richtung in ihrem Leben.
Das Kind Jesus wurde zu dieser Zeit geboren. Ob diese Zeit für die Sache Gottes genützt würde oder nicht, war von der Haltung der Menschen Jesus gegenüber abhängig. In der kleinen Nation Israel trafen die Menschheit und Gott in der Person Jesus Christus aufeinander.